Kant: AA VIII, Über den Gemeinspruch Das ... , Seite 283

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Ein Zustand, in Verknüpfung mit einem gewissen gegebenen      
  02 Zwecke zu sein, den ich jedem anderen von derselben Art vorziehe, ist      
  03 ein comparativ besserer Zustand, nämlich im Felde der Glückseligkeit (die      
  04 nie anders als bloß bedingter Weise, sofern man ihrer würdig ist, von      
  05 der Vernunft als gut anerkannt wird). Derjenige Zustand aber, da      
  06 ich im Falle der Collision gewisser meiner Zwecke mit dem moralischen      
  07 Gesetze der Pflicht diese vorzuziehen mir bewußt bin, ist nicht bloß ein      
  08 besserer, sondern der allein an sich gute Zustand: ein Gutes aus einem      
  09 ganz andern Felde, wo auf Zwecke, die sich mir anbieten mögen, (mithin      
  10 auf ihre Summe, die Glückseligkeit) gar nicht Rücksicht genommen wird,      
  11 und wo nicht die Materie der Willkür (ein ihr zum Grunde gelegtes      
  12 Object), sondern die bloße Form der allgemeinen Gesetzmäßigkeit ihrer      
  13 Maxime den Bestimmungsgrund derselben ausmacht. - Also kann keineswegs      
  14 gesagt werden, daß jeder Zustand, den ich jeder andern Art zu sein      
  15 vorziehe, von mir zur Glückseligkeit gerechnet werde. Denn zuerst muß      
  16 ich sicher sein, daß ich meiner Pflicht nicht zuwider handle; nachher allererst      
  17 ist es mir erlaubt, mich nach Glückseligkeit umzusehen, wie viel ich      
  18 deren mit jenem meinem moralisch= (nicht physisch=) guten Zustande vereinigen      
  19 kann*).      
           
  20 Allerdings muß der Wille Motive haben; aber diese sind nicht      
  21 gewisse vorgesetzte, aufs physische Gefühl bezogene Objecte als Zwecke,      
  22 sondern nichts als das unbedingte Gesetz selbst, für welches die Empfänglichkeit      
  23 des Willens, sich unter ihm als unbedingter Nöthigung zu      
  24 befinden, das moralische Gefühl heißt; welches also nicht Ursache,      
  25 sondern Wirkung der Willensbestimmung ist, von welchem wir nicht die      
  26 mindeste Wahrnehmung in uns haben würden, wenn jene Nöthigung in      
           
    *) Glückseligkeit enthält alles (und auch nichts mehr als), was uns die Natur verschaffen; Tugend aber das, was Niemand als der Mensch selbst sich geben oder nehmen kann. Wollte man dagegen sagen: daß durch die Abweichung von der letzteren der Mensch sich doch wenigstens Vorwürfe und reinen moralischen Selbsttadel, mithin Unzufriedenheit zuziehen, folglich sich unglücklich machen könne, so mag das allenfalls eingeräumt werden. Aber dieser reinen moralischen Unzufriedenheit (nicht aus den für ihn nachtheiligen Folgen der Handlung, sondern aus ihrer Gesetzwidrigkeit selbst) ist nur der Tugendhafte, oder der auf dem Wege ist es zu werden, fähig. Folglich ist sie nicht die Ursache, sondern nur die Wirkung davon, daß er tugendhaft ist; und der Bewegungsgrund tugendhaft zu sein konnte nicht von diesem Unglück (wenn man den Schmerz aus einer Unthat so nennen will) hergenommen sein.      
           
     

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