Kant: AA VIII, Über eine Entdeckung, nach ... , Seite 243 |
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01 | Aufschlusse dunkeler Fragen in der Transscendentalphilosophie, daß er | ||||||
02 | gar S. 322 eine neue Tafel der Eintheilung der Urtheile für die Logik | ||||||
03 | entwirft (in welcher aber der Verfasser der Kritik seinen ihm darin angewiesenen | ||||||
04 | Platz verbittet), wozu ihn Jacob Bernouilli durch eine | ||||||
05 | S. 320 angeführte vermeintlich neue Eintheilung derselben veranlaßt. | ||||||
06 | Von dergleichen logischen Erfindung könnte man wohl, wie es einmal in | ||||||
07 | einer gelehrten Zeitung hieß, sagen: Zu N. ist, leider! wiederum ein neues | ||||||
08 | Thermometer erfunden worden. Denn so lange man sich noch immer mit | ||||||
09 | den beiden festen Punkten der Eintheilung, dem Frost= und Siedepunkte | ||||||
10 | des Wassers, begnügen muß, ohne das Verhältniß der Wärme in einem | ||||||
11 | von beiden zur absoluten Wärme bestimmen zu können, ist es einerlei, ob | ||||||
12 | der Zwischenraum in 80 oder 100 Grade etc. eingetheilt werde. So | ||||||
13 | lange man also noch nicht im Allgemeinen belehrt wird, wie denn Attribute | ||||||
14 | (versteht sich synthetische), die doch nicht aus dem Begriffe des Subjects | ||||||
15 | selbst entwickelt werden können, dazu kommen, nothwendige Prädicate | ||||||
16 | desselben zu sein (S. 322. I, 2), oder wohl gar als solche mit dem Subjecte | ||||||
17 | recipirt werden können, ist alle jene systematische Eintheilung, die | ||||||
18 | die Möglichkeit der Urtheile zugleich angeben soll, welches sie doch in den | ||||||
19 | wenigsten Fällen kann, eine ganz unnütze Last fürs Gedächtniß und möchte | ||||||
20 | wohl schwerlich in einem neueren System der Logik einen Platz erwerben, | ||||||
21 | wie denn auch die bloße Idee von synthetischen Urtheilen a priori (welche | ||||||
22 | Herr Eberhard sehr widersinnisch nichtwesentliche nennt) schlechterdings | ||||||
23 | nicht für die Logik gehört. | ||||||
24 | Zuletzt noch etwas über die von Herrn Eberhard und anderen vorgebrachte | ||||||
25 | Behauptung: daß die Unterscheidung der synthetischen von analytischen | ||||||
26 | Urtheilen nicht neu, sondern längst bekannt (vermuthlich auch | ||||||
27 | wegen ihrer Unwichtigkeit nur nachlässig behandelt) gewesen sei. Es kann | ||||||
28 | dem, welchem es um Wahrheit zu thun ist, vornehmlich wenn er eine | ||||||
29 | Unterscheidung von einer wenigstens bisher unversuchten Art braucht, | ||||||
30 | wenig daran gelegen sein, ob sie schon sonst von jemanden gemacht worden, | ||||||
31 | und es ist auch schon das gewöhnliche Schicksal alles Neuen in Wissenschaften, | ||||||
32 | wenn man ihm nichts entgegensetzen kann, daß man es doch | ||||||
33 | wenigstens als längst bekannt bei Älteren antreffe. Allein wenn doch aus | ||||||
34 | einer als neu vorgetragenen Bemerkung auffallende wichtige Folgen sofort | ||||||
35 | in die Augen springen, die unmöglich hätten übersehen werden können, | ||||||
36 | wäre jene schon sonst gemacht gewesen: so müßte doch ein Verdacht wegen | ||||||
37 | der Richtigkeit oder Wichtigkeit jener Eintheilung selbst entstehen, welcher | ||||||
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