Kant: AA VIII, Über eine Entdeckung, nach ... , Seite 191 |
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01 | Wissenschaften, die man nicht versteht, selbst nicht auf den Ausspruch anderer | ||||||
02 | berühmten Männer, die davon blos Bericht geben, zu berufen: weil | ||||||
03 | zu erwarten ist, daß man diese auch nicht verstehe. Denn kräftiger konnte | ||||||
04 | Herr Eberhard sich selbst und sein eben jetzt angekündigtes Vorhaben nicht | ||||||
05 | widerlegen, als eben durch das dem Borelli nachgesagte Urtheil über des | ||||||
06 | Apollonius Conica. | ||||||
07 | Apollonius construirt zuerst den Begriff eines Kegels, d. i. er | ||||||
08 | stellt ihn a priori in der Anschauung dar (das ist nun die erste Handlung | ||||||
09 | wodurch der Geometer die objective Realität seines Begriffs zum voraus | ||||||
10 | darthut). Er schneidet ihn nach einer bestimmten Regel, z. B. parallel | ||||||
11 | mit einer Seite des Triangels, der die Basis des Kegels ( conus rectus ) | ||||||
12 | durch die Spitze desselben rechtwinklig schneidet, und beweiset an der Anschauung | ||||||
13 | a priori die Eigenschaften der krummen Linie, welche durch | ||||||
14 | jenen Schnitt auf der Oberfläche dieses Kegels erzeugt wird, und bringt | ||||||
15 | so einen Begriff des Verhältnisses, in welchem die Ordinaten derselben | ||||||
16 | zum Parameter stehen, heraus, welcher Begriff, nämlich (in diesem | ||||||
17 | Falle) der Parabel, dadurch in der Anschauung a priori gegeben, mithin | ||||||
18 | seine objective Realität, d. i. die Möglichkeit, daß es ein Ding von den | ||||||
19 | genannten Eigenschaften geben könne, auf keine andere Weise, als da | ||||||
20 | man ihm die correspondirende Anschauung unterlegt, bewiesen | ||||||
21 | wird. - Herr Eberhard wollte beweisen: daß man seine Erkenntniß gar wohl | ||||||
22 | erweitern und sie mit neuen Wahrheiten bereichern könne, ohne sich vorher | ||||||
23 | darauf einzulassen, ob sie nicht mit einem Begriffe umgehe, der vielleicht | ||||||
24 | ganz leer ist und gar keinen Gegenstand haben kann, (eine Behauptung, | ||||||
25 | die dem gesunden Menschenverstande geradezu widerstreitet) und schlug | ||||||
26 | sich zur Bestätigung seiner Meinung an den Mathematiker. Unglücklicher | ||||||
27 | konnte er sich nicht adressiren. - Das Unglück aber kam daher, daß er | ||||||
28 | den Apollonius selbst nicht kannte und den Borelli, der über das Verfahren | ||||||
29 | der alten Geometer reflectirt, nicht verstand. Dieser spricht von | ||||||
30 | der mechanischen Construction der Begriffe von Kegelschnitten (außer | ||||||
31 | dem Cirkel) und sagt: daß die Mathematiker die Eigenschaften der letztern | ||||||
32 | lehren, ohne der erstern Erwähnung zu thun; eine zwar wahre, aber sehr | ||||||
33 | unerhebliche Anmerkung; denn die Anweisung, eine Parabel nach Vorschrift | ||||||
34 | der Theorie zu zeichnen, ist nur für den Künstler, nicht für den | ||||||
35 | Geometer*). Herr Eberhard hätte aus der Stelle, die er selbst aus der | ||||||
*) Um den Ausdruck der Construction der Begriffe, von der die Kritik der reinen Vernunft vielfältig redet und dadurch das Verfahren der Vernunft in der [Seitenumbruch] * Mathematik von dem in der Philosophie zuerst genau unterschieden hat, wider Mißbrauch zu sichern, mag folgendes dienen. In allgemeiner Bedeutung kann alle Darstellung eines Begriffs durch die (selbstthätige) Hervorbringung einer ihm correspondirenden Anschauung Construction heißen. Geschieht sie durch die bloße Einbildungskraft einem Begriffe a priori gemäß, so heißt sie die reine (dergleichen der Mathematiker allen seinen Demonstrationen zum Grunde legen muß; daher er an einem Cirkel, den er mit seinem Stabe im Sande beschreibt, so unregelmäßig er auch ausfalle, die Eigenschaften eines Cirkels überhaupt so vollkommen beweisen kann, als ob ihn der beste Künstler im Kupferstiche gezeichnet hätte). Wird sie aber an irgend einer Materie ausgeübt, so würde sie die empirische Construction heißen können. Die erstere kann auch die schematische, die zweite die technische genannt werden. Die letztere und wirklich nur uneigentlich so genannte Construction (weil sie nicht zur Wissenschaft, sondern zur Kunst gehört und durch Instrumente verrichtet wird) ist nun entweder die geometrische durch Cirkel und Lineal, oder die mechanische, wozu andere Werkzeuge nöthig sind, wie zum Beispiel die Zeichnung der übrigen Kegelschnitte außer dem Cirkel. | |||||||
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