Kant: AA VIII, Über den Gebrauch ... , Seite 167 |
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| 01 | Klimate tauglich wird, obgleich keinem derselben in dem Grade angemessen, | ||||||
| 02 | als die erste Anartung an dasselbe es gemacht hatte. Denn was | ||||||
| 03 | die gemeine Meinung betrifft, nach welcher Kinder (von unserer Classe | ||||||
| 04 | der Weißen) die Kennzeichen, die zur Varietät gehören (als Statur, Gesichtsbildung, | ||||||
| 05 | Hautfarbe, selbst manche Gebrechen, innere sowohl als | ||||||
| 06 | äußere) von ihren Eltern auf die Halbscheid ererben sollen (wie man sagt: | ||||||
| 07 | das hat das Kind vom Vater, das hat es von der Mutter), so kann ich | ||||||
| 08 | nach genauer Aufmerksamkeit auf den Familienschlag ihr nicht beitreten. | ||||||
| 09 | Sie arten, wenn gleich nicht Vater oder Mutter nach, doch entweder in | ||||||
| 10 | des einen oder der andern Familie unvermischt ein; und obzwar der | ||||||
| 11 | Abscheu wider die Vermischungen der zu nahe Verwandten wohl großentheils | ||||||
| 12 | moralische Ursachen haben, ingleichen die Unfruchtbarkeit derselben | ||||||
| 13 | nicht genug bewiesen sein mag: so giebt doch seine weite Ausbreitung | ||||||
| 14 | selbst bis zu rohen Völkern Anlaß zur Vermuthung, daß der Grund | ||||||
| 15 | dazu auf entfernte Art in der Natur selbst gelegen sei, welche nicht will, | ||||||
| 16 | daß immer die alten Formen wieder reproducirt werden, sondern alle | ||||||
| 17 | Mannigfaltigkeit herausgebracht werden soll, die sie in die ursprüngliche | ||||||
| 18 | Keime des Menschenstamms gelegt hatte. Ein gewisser Grad der | ||||||
| 19 | Gleichförmigkeit, der sich in einem Familien= oder sogar Volksschlage | ||||||
| 20 | hervorfindet, darf auch nicht der halbschlächtigen Anartung ihrer Charaktere | ||||||
| 21 | (welche meiner Meinung nach in Ansehung der Varietäten gar nicht | ||||||
| 22 | statt findet) zugeschrieben werden. Denn das Übergewicht der Zeugungskraft | ||||||
| 23 | des einen oder andern Theils verehlichter Personen, da bisweilen | ||||||
| 24 | fast alle Kinder in den väterlichen, oder alle in den mütterlichen Stamm | ||||||
| 25 | einschlagen, kann bei der anfänglich großen Verschiedenheit der Charaktere | ||||||
| 26 | durch Wirkung und Gegenwirkung, nämlich dadurch daß die Nachartungen | ||||||
| 27 | auf der einen Seite immer seltener werden, die Mannigfaltigkeit vermindern | ||||||
| 28 | und eine gewisse Gleichförmigkeit (die nur fremden Augen sichtbar | ||||||
| 29 | ist) hervorbringen. Doch das ist nur meine beiläufige Meinung, die | ||||||
| 30 | ich dem beliebigen Urtheile des Lesers Preis gebe. Wichtiger ist, daß bei | ||||||
| 31 | andern Thieren fast alles, was man an ihnen Varietät nennen möchte | ||||||
| 32 | (wie die Größe, die Hautbeschaffenheit etc.), halbschlächtig anartet, und | ||||||
| 33 | dieses, wenn man den Menschen wie billig nach der Analogie mit Thieren | ||||||
| 34 | (in Absicht auf die Fortpflanzung) betrachtet, einen Einwurf wider meinen | ||||||
| 35 | Unterschied der Racen von Varietäten zu enthalten scheint. Um hierüber | ||||||
| 36 | zu urtheilen, muß man schon einen höheren Standpunkt der Erklärung | ||||||
| 37 | dieser Natureinrichtung nehmen, nämlich den, daß vernunftlose Thiere, | ||||||
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