Kant: AA VIII, Über den Gebrauch ... , Seite 164 |
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01 | die man nicht einräumen kann, weil sie dem Gesetz der Natur (in | ||||||
02 | der Erhaltung ihrer Species in unveränderlicher Form) zuwider läuft. | ||||||
03 | Das Wort progenies zeigt an, daß es nicht ursprüngliche, durch so vielerlei | ||||||
04 | Stämme als Species derselben Gattung ausgetheilte, sondern sich allererst | ||||||
05 | in der Folge der Zeugungen entwickelnde Charaktere, mithin nicht | ||||||
06 | verschiedene Arten, sondern Abartungen, aber doch so bestimmt und | ||||||
07 | beharrlich sind, daß sie zu einem Classenunterschiede berechtigen. | ||||||
08 | Nach diesen Vorbegriffen würde die Menschengattung (nach dem | ||||||
09 | allgemeinen Kennzeichen derselben in der Naturbeschreibung genommen) in | ||||||
10 | einem System der Naturgeschichte in Stamm (oder Stämme), Racen oder | ||||||
11 | Abartungen ( progenies classificae ) und verschiedenen Menschenschlag | ||||||
12 | ( varietates nativae ) abgetheilt werden können, welche letztere nicht unausbleibliche, | ||||||
13 | nach einem anzugebenden Gesetze sich vererbende, also auch nicht | ||||||
14 | zu einer Classeneintheilung hinreichende Kennzeichen enthalten. Alles | ||||||
15 | dieses ist aber so lange bloße Idee von der Art, wie die größte Mannigfaltigkeit | ||||||
16 | in der Zeugung mit der größten Einheit der Abstammung von der | ||||||
17 | Vernunft zu vereinigen sei. Ob es wirklich eine solche Verwandtschaft in | ||||||
18 | der Menschengattung gebe, müssen die Beobachtungen, welche die Einheit | ||||||
19 | der Abstammung kenntlich machen, entscheiden. Und hier sieht man deutlich: | ||||||
20 | daß man durch ein bestimmtes Princip geleitet werden müsse, um | ||||||
21 | blos zu beobachten, d. i. auf dasjenige Acht zu geben, was Anzeige | ||||||
22 | auf die Abstammung, nicht blos die Charakteren=Ähnlichkeit geben könne, | ||||||
23 | weil wir es alsdann mit einer Aufgabe der Naturgeschichte, nicht der Naturbeschreibung | ||||||
24 | und blos methodischen Benennung zu thun haben. Hat | ||||||
25 | jemand nicht nach jenem Princip seine Nachforschung angestellt, so muß | ||||||
26 | er noch einmal suchen; denn von selbst wird sich ihm das nicht darbieten, | ||||||
27 | was er bedarf, um, ob es eine reale oder bloße Nominalverwandtschaft | ||||||
28 | unter den Geschöpfen gebe, auszumachen. | ||||||
29 | Von der Verschiedenheit des ursprünglichen Stammes kann es keine | ||||||
30 | sichere Kennzeichen geben, als die Unmöglichkeit durch Vermischung | ||||||
31 | zweier erblich verschiedenen Menschenabtheilungen fruchtbare Nachkommenschaft | ||||||
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