Kant: AA VIII, Bestimmung des Begriffs einer ... , Seite 101 |
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01 | sondern weil bloß an diesen das, was ich zum Charakter einer Race fordere, | ||||||
02 | nämlich die halbschlächtige Zeugung, ausgemacht, bei keiner anderen | ||||||
03 | Menschenklasse aber genugsam bewiesen ist. So sagt Herr Pallas in | ||||||
04 | seiner Beschreibung der mongolischen Völkerschaften: daß die erste Zeugung | ||||||
05 | von einem Russen mit einer Frau der letzteren Völkerschaft (einer Burätin) | ||||||
06 | schon sofort schöne Kinder gebe; er merkt aber nicht an, ob gar keine Spur | ||||||
07 | des kalmückischen Ursprungs an denselben anzutreffen sei. Ein merkwürdiger | ||||||
08 | Umstand, wenn die Vermengung eines Mongolen mit einem Europäer die | ||||||
09 | charakteristischen Züge des erstern gänzlich auslöschen sollte, die doch in der | ||||||
10 | Vermengung mit südlichern Völkerschaften (vermuthlich mit Indianern) | ||||||
11 | an den Sinesen, Avanern, Malaien etc. mehr oder weniger | ||||||
12 | kenntlich noch immer anzutreffen sind. Allein die mongolische Eigenthümlichkeit | ||||||
13 | betrifft eigentlich die Gestalt, nicht die Farbe, von welcher allein | ||||||
14 | die bisherige Erfahrung eine unausbleibliche Anartung als den Charakter | ||||||
15 | einer Race gelehrt hat. Man kann auch nicht mit Gewißheit ausmachen, | ||||||
16 | ob die Kafferngestalt der Papuas und der ihnen ähnlichen verschiedenen | ||||||
17 | Inselbewohner des stillen Meeres eine besondere Race anzeige, weil | ||||||
18 | man das Product aus ihrer Vermischung mit Weißen noch nicht kennt; | ||||||
19 | denn von den Negern sind sie durch ihren buschichten, obzwar gekräuselten | ||||||
20 | Bart hinreichend unterschieden. | ||||||
21 | Anmerkung. |
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22 | Gegenwärtige Theorie, welche gewisse ursprüngliche, in dem ersten | ||||||
23 | und gemeinschaftlichen Menschenstamm auf die jetzt vorhandenen Racenunterschiede | ||||||
24 | ganz eigentlich angelegte Keime annimmt, beruht gänzlich | ||||||
25 | auf der Unausbleiblichkeit ihrer Anartung, die bei den vier genannten | ||||||
26 | Racen durch alle Erfahrung bestätigt wird. Wer diesen Erklärungsgrund | ||||||
27 | für unnöthige Vervielfältigung der Principien in der Naturgeschichte hält | ||||||
28 | und glaubt, man könne dergleichen specielle Naturanlagen gar wohl entbehren | ||||||
29 | und, indem man den ersten Elternstamm als weiß annimmt, die | ||||||
30 | übrigen sogenannten Racen aus den in der Folge durch Luft und Sonne | ||||||
31 | auf die spätern Nachkömmlinge geschehenen Eindrücken erklären: der hat | ||||||
32 | alsdann noch nichts bewiesen, wenn er anführt: daß manche andere Eigenthümlichkeit | ||||||
33 | bloß aus dem langen Wohnsitze eines Volkes in eben demselben | ||||||
34 | Landstriche auch wohl endlich erblich geworden sei und einen physischen | ||||||
35 | Volkscharakter ausmache. Er muß von der Unausbleiblichkeit | ||||||
36 | der Anartung solcher Eigenthümlichkeiten und zwar nicht in demselben | ||||||
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