Kant: AA VIII, Bestimmung des Begriffs einer ... , Seite 102 |
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01 | Volke, sondern in der Vermischung mit jedem andern (das darin von ihm | ||||||
02 | abweicht), so daß die Zeugung ohne Ausnahme halbschlächtig ausfalle, | ||||||
03 | ein Beispiel anführen. Dieses ist er aber nicht im Stande zu leisten. | ||||||
04 | Denn es findet sich von keinem andern Charakter als dem, dessen wir | ||||||
05 | erwähnt haben, und wovon der Anfang über alle Geschichte hinausgeht, | ||||||
06 | ein Beispiel zu diesem Behuf. Wollte er lieber verschiedene erste | ||||||
07 | Menschenstämme mit dergleichen erblichen Charakteren annehmen: so | ||||||
08 | würde erstlich der Philosophie wenig gerathen sein, die alsdann | ||||||
09 | zu verschiedenen Geschöpfen ihre Zuflucht nehmen müßte und selbst dabei | ||||||
10 | doch immer die Einheit der Gattung einbüßte. Denn Thiere, deren Verschiedenheit | ||||||
11 | so groß ist, daß zu deren Existenz eben so viel verschiedene | ||||||
12 | Erschaffungen nöthig wären, können wohl zu einer Nominalgattung | ||||||
13 | (um sie nach gewissen Ähnlichkeiten zu klassificiren), aber niemals zu einer | ||||||
14 | Realgattung, als zu welcher durchaus wenigstens die Möglichkeit der | ||||||
15 | Abstammung von einem einzigen Paar erfordert wird, gehören. Die | ||||||
16 | letztere aber zu finden, ist eigentlich ein Geschäft der Naturgeschichte; mit | ||||||
17 | der ersteren kann sich der Naturbeschreiber begnügen. Aber auch alsdann | ||||||
18 | würde zweitens doch immer die sonderbare Übereinstimmung der | ||||||
19 | Zeugungskräfte zweier verschiedenen Gattungen, die, da sie in Ansehung | ||||||
20 | ihres Ursprungs einander ganz fremd sind, dennoch mit einander fruchtbar | ||||||
21 | vermischt werden können, ganz umsonst und ohne einen anderen Grund, | ||||||
22 | als daß es der Natur so gefallen, angenommen werden. Will man, um | ||||||
23 | dieses letztere zu beweisen, Thiere anführen, bei denen dieses ungeachtet | ||||||
24 | der Verschiedenheit ihres ersten Stammes dennoch geschehe: so wird ein | ||||||
25 | jeder in solchen Fällen die letztere Voraussetzung leugnen und vielmehr | ||||||
26 | eben daraus, daß eine solche fruchtbare Vermischung statt findet, auf die | ||||||
27 | Einheit des Stammes schließen, wie aus der Vermischung der Hunde | ||||||
28 | und Füchse etc. Die unausbleibliche Anartung beiderseitiger | ||||||
29 | Eigenthümlichkeiten der Eltern ist also der einzig wahre und zugleich hinreichende | ||||||
30 | Probirstein der Verschiedenheit der Racen, wozu sie gehören, und | ||||||
31 | ein Beweis der Einheit des Stammes, woraus sie entsprungen sind: | ||||||
32 | nämlich der in diesem Stamm gelegten, sich in der Folge der Zeugungen | ||||||
33 | entwickelnden ursprünglichen Keime, ohne welche jene erblichen Mannigfaltigkeiten | ||||||
34 | nicht würden entstanden sein und vornehmlich nicht hätten | ||||||
35 | nothwendig erblich werden können. | ||||||
36 | Das Zweckmäßige in einer Organisation ist doch der allgemeine | ||||||
37 | Grund, woraus wir auf ursprünglich in die Natur eines Geschöpfs in | ||||||
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