Kant: AA VIII, Bestimmung des Begriffs einer ... , Seite 096 |
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01 | mit einer der drei übrigen allgemein und unausbleiblich anartet. Vielleicht | ||||||
02 | läßt sich aus diesem seltsamen Phänomen etwas über die Ursachen | ||||||
03 | des Anartens solcher Eigenschaften, die nicht wesentlich zur Gattung | ||||||
04 | gehören, bloß aus dem Umstande, daß sie unausbleiblich sind, muthmaßen. | ||||||
06 | Zuerst: was dazu beitrage, daß überhaupt etwas, das nicht zum | ||||||
07 | Wesen der Gattung gehört, anerben könne, a priori auszumachen, ist ein | ||||||
08 | mißliches Unternehmen; und in dieser Dunkelheit der Erkenntnißquellen | ||||||
09 | ist die Freiheit der Hypothesen so uneingeschränkt, daß es nur schade um | ||||||
10 | alle Mühe und Arbeit ist, sich desfalls mit Widerlegungen zu befassen, | ||||||
11 | indem ein jeder in solchen Fällen seinem Kopfe folgt. Ich meines Theils | ||||||
12 | sehe in solchen Fällen nur auf die besondere Vernunftmaxime, wovon | ||||||
13 | ein jeder ausgeht, und nach welcher er gemeiniglich auch Facta aufzutreiben | ||||||
14 | weiß, die jene begünstigen; und suche nachher die meinige auf, die mich | ||||||
15 | gegen alle jene Erklärungen ungläubig macht, ehe ich mir noch die Gegengründe | ||||||
16 | deutlich zu machen weiß. Wenn ich nun meine Maxime bewährt, | ||||||
17 | dem Vernunftgebrauch in der Naturwissenschaft genau angemessen und | ||||||
18 | zur consequenten Denkungsart allein tauglich befinde: so folge ich ihr, | ||||||
19 | ohne mich an jene vorgeblichen Facta zu kehren, die ihre Glaubhaftigkeit | ||||||
20 | und Zulänglichkeit zur angenommenen Hypothese fast allein von jener | ||||||
21 | einmal gewählten Maxime entlehnen, denen man überdem ohne Mühe | ||||||
22 | hundert andere Facta entgegensetzen kann. Das Anerben durch die | ||||||
23 | Wirkung der Einbildungskraft schwangerer Frauen, oder auch wohl der | ||||||
24 | Stuten in Marställen; das Ausrupfen des Barts ganzer Völkerschaften, | ||||||
25 | so wie das Stutzen der Schwänze an englischen Pferden, wodurch die | ||||||
26 | Natur genöthigt werde, aus ihren Zeugungen ein Product, worauf sie | ||||||
27 | uranfänglich organisirt war, nachgerade weg zu lassen; die geplätschten | ||||||
28 | Nasen, welche anfänglich von Eltern an neugebornen Kindern gekünstelt, in | ||||||
29 | der Folge von der Natur in ihre zeugende Kraft aufgenommen wären: diese | ||||||
30 | und andere Erklärungsgründe würden wohl schwerlich durch die zu ihrem | ||||||
31 | Behuf angeführten Facta, denen man weit besser bewährte entgegensetzen | ||||||
32 | kann, in Credit kommen, wenn sie nicht von der sonst ganz richtigen | ||||||
33 | Maxime der Vernunft ihre Empfehlung bekämen, nämlich dieser: eher | ||||||
34 | alles im Muthmaßen aus gegebenen Erscheinungen zu wagen, als zu | ||||||
35 | deren Behuf besondere erste Naturkräfte oder anerschaffene Anlagen anzunehmen | ||||||
36 | (nach dem Grundsatze: principia praeter necessitatem non sunt | ||||||
37 | multiplicanda ). Allein mir steht eine andere Maxime entgegen, welche | ||||||
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