Kant: AA VIII, Von der ... , Seite 086

     
           
 

Zeile:

 

Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Stein, Metall, oder Gips ausführen lassen, kann von dem, der diese Producte      
  02 kauft, abgedruckt oder abgegossen und so öffentlich verkehrt werden;      
  03 so wie alles, was jemand mit seiner Sache in seinem eigenen Namen      
  04 verrichten kann, der Einwilligung eines andern nicht bedarf. Lipperts      
  05 Daktyliothek kann von jedem Besitzer derselben, der es versteht, nachgeahmt      
  06 und zum Verkauf ausgestellt werden, ohne daß der Erfinder derselben über      
  07 Eingriffe in seine Geschäfte klagen könne. Denn sie ist ein Werk ( opus,      
  08 nicht opera alterius ), welches ein jeder, der es besitzt, ohne einmal den      
  09 Namen des Urhebers zu nennen, veräußern, mithin auch nachmachen und      
  10 auf seinen eigenen Namen als das seinige zum öffentlichen Verkehr brauchen      
  11 kann. Die Schrift aber eines andern ist die Rede einer Person ( opera );      
  12 und der, welcher sie verlegt, kann nur im Namen dieses andern zum Publicum      
  13 reden und von sich nichts weiter sagen, als daß der Verfasser durch      
  14 ihn ( Impensis Bibliopolae ) folgende Rede ans Publicum halte. Denn es      
  15 ist ein Widerspruch: eine Rede in seinem Namen zu halten, die doch      
  16 nach seiner eigenen Anzeige und gemäß der Nachfrage des Publicums die      
  17 Rede eines andern sein soll. Der Grund also, warum alle Kunstwerke      
  18 anderer zum öffentlichen Vertrieb nachgemacht, Bücher aber, die schon ihre      
  19 eingesetzte Verleger haben, nicht nachgedruckt werden dürfen, liegt darin:      
  20 daß die erstern Werke ( opera ), die zweiten Handlungen ( operae ) sind,      
  21 davon jene als für sich selbst existirende Dinge, diese aber nur in einer      
  22 Person ihr Dasein haben können. Folglich kommen diese letztern der Person      
  23 des Verfassers ausschließlich zu*);und derselbe hat daran ein unveräußerliches      
  24 Recht ( ius personalissimum ) durch jeden andern immer selbst      
  25 zu reden, d. i. daß niemand dieselbe Rede zum Publicum anders, als in      
  26 seines (des Urhebers) Namen halten darf. Wenn man indessen das Buch      
  27 eines andern so verändert (abkürzt oder vermehrt oder umarbeitet), da      
  28 man sogar Unrecht thun würde, wenn man es nunmehr auf den Namen      
           
    *) Der Autor und der Eigenthümer des Exemplars können beide mit gleichem Rechte von demselben sagen: es ist mein Buch! aber in verschiedenem Sinne. Der erstere nimmt das Buch als Schrift oder Rede; der zweite bloß als das stumme Instrument der Überbringung der Rede an ihn oder das Publicum, d. i. als Exemplar. Dieses Recht des Verfassers ist aber kein Recht in der Sache, nämlich dem Exemplar (denn der Eigenthümer kann es vor des Verfassers Augen verbrennen), sondern ein angebornes Recht in seiner eignen Person, nämlich zu verhindern, daß ein anderer ihn nicht ohne seine Einwilligung zum Publicum reden lasse, welche Einwilligung gar nicht präsumirt werden kann, weil er sie schon einem andern ausschließlich ertheilt hat.      
           
     

[ Seite 085 ] [ Seite 087 ] [ Inhaltsverzeichnis ]