Kant: AA VIII, Beantwortung der Frage: Was ist ... , Seite 039

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Volk zu führen und diese sogar zu verewigen? Ich sage: das ist ganz unmöglich.      
  02 Ein solcher Contract, der auf immer alle weitere Aufklärung      
  03 vom Menschengeschlechte abzuhalten geschlossen würde, ist schlechterdings      
  04 null und nichtig; und sollte er auch durch die oberste Gewalt, durch Reichstage      
  05 und die feierlichsten Friedensschlüsse bestätigt sein. Ein Zeitalter      
  06 kann sich nicht verbünden und darauf verschwören, das folgende in einen      
  07 Zustand zu setzen, darin es ihm unmöglich werden muß, seine (vornehmlich      
  08 so sehr angelegentliche) Erkenntnisse zu erweitern, von Irrthümern      
  09 zu reinigen und überhaupt in der Aufklärung weiter zu schreiten. Das      
  10 wäre ein Verbrechen wider die menschliche Natur, deren ursprüngliche Bestimmung      
  11 gerade in diesem Fortschreiten besteht; und die Nachkommen      
  12 sind also vollkommen dazu berechtigt, jene Beschlüsse, als unbefugter und      
  13 frevelhafter Weise genommen, zu verwerfen. Der Probirstein alles dessen,      
  14 was über ein Volk als Gesetz beschlossen werden kann, liegt in der Frage:      
  15 ob ein Volk sich selbst wohl ein solches Gesetz auferlegen könnte. Nun wäre      
  16 dieses wohl gleichsam in der Erwartung eines bessern auf eine bestimmte      
  17 kurze Zeit möglich, um eine gewisse Ordnung einzuführen: indem man es      
  18 zugleich jedem der Bürger, vornehmlich dem Geistlichen frei ließe, in der      
  19 Qualität eines Gelehrten öffentlich, d. i. durch Schriften, über das Fehlerhafte      
  20 der dermaligen Einrichtung seine Anmerkungen zu machen, indessen      
  21 die eingeführte Ordnung noch immer fortdauerte, bis die Einsicht in die Beschaffenheit      
  22 dieser Sachen öffentlich so weit gekommen und bewährt worden,      
  23 daß sie durch Vereinigung ihrer Stimmen (wenn gleich nicht aller) einen      
  24 Vorschlag vor den Thron bringen könnte, um diejenigen Gemeinden in      
  25 Schutz zu nehmen, die sich etwa nach ihren Begriffen der besseren Einsicht      
  26 zu einer veränderten Religionseinrichtung geeinigt hätten, ohne doch diejenigen      
  27 zu hindern, die es beim Alten wollten bewenden lassen. Aber auf      
  28 eine beharrliche, von niemanden öffentlich zu bezweifelnde Religionsverfassung      
  29 auch nur binnen der Lebensdauer eines Menschen sich zu einigen      
  30 und dadurch einen Zeitraum in dem Fortgange der Menschheit zur Verbesserung      
  31 gleichsam zu vernichten und fruchtlos, dadurch aber wohl gar der      
  32 Nachkommenschaft nachtheilig zu machen, ist schlechterdings unerlaubt. Ein      
  33 Mensch kann zwar für seine Person und auch alsdann nur auf einige Zeit      
  34 in dem, was ihm zu wissen obliegt, die Aufklärung aufschieben; aber auf      
  35 sie Verzicht zu thun, es sei für seine Person, mehr aber noch für die Nachkommenschaft,      
  36 heißt die heiligen Rechte der Menschheit verletzen und mit      
  37 Füßen treten. Was aber nicht einmal ein Volk über sich selbst beschließen      
           
     

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