Kant: AA VIII, Beantwortung der Frage: Was ist ... , Seite 038

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 oder auch Ungerechtigkeit solcher Ausschreibungen öffentlich seine Gedanken      
  02 äußert. Eben so ist ein Geistlicher verbunden, seinen Katechismusschülern      
  03 und seiner Gemeine nach dem Symbol der Kirche, der er dient, seinen      
  04 Vortrag zu thun; denn er ist auf diese Bedingung angenommen worden.      
  05 Aber als Gelehrter hat er volle Freiheit, ja sogar den Beruf dazu, alle      
  06 seine sorgfältig geprüften und wohlmeinenden Gedanken über das Fehlerhafte      
  07 in jenem Symbol und Vorschläge wegen besserer Einrichtung des      
  08 Religions= und Kirchenwesens dem Publicum mitzutheilen. Es ist hiebei      
  09 auch nichts, was dem Gewissen zur Last gelegt werden könnte. Denn was      
  10 er zu Folge seines Amts als Geschäftträger der Kirche lehrt, das stellt er      
  11 als etwas vor, in Ansehung dessen er nicht freie Gewalt hat nach eigenem      
  12 Gutdünken zu lehren, sondern das er nach Vorschrift und im Namen eines      
  13 andern vorzutragen angestellt ist. Er wird sagen: unsere Kirche lehrt dieses      
  14 oder jenes; das sind die Beweisgründe, deren sie sich bedient. Er zieht      
  15 alsdann allen praktischen Nutzen für seine Gemeinde aus Satzungen, die er      
  16 selbst nicht mit voller Überzeugung unterschreiben würde, zu deren Vortrag      
  17 er sich gleichwohl anheischig machen kann, weil es doch nicht ganz unmöglich      
  18 ist, daß darin Wahrheit verborgen läge, auf alle Fälle aber wenigstens      
  19 doch nichts der innern Religion Widersprechendes darin angetroffen wird.      
  20 Denn glaubte er das letztere darin zu finden, so würde er sein Amt mit      
  21 Gewissen nicht verwalten können; er müßte es niederlegen. Der Gebrauch      
  22 also, den ein angestellter Lehrer von seiner Vernunft vor seiner Gemeinde      
  23 macht, ist bloß ein Privatgebrauch: weil diese immer nur eine häusliche,      
  24 obzwar noch so große Versammlung ist; und in Ansehung dessen ist er als      
  25 Priester nicht frei und darf es auch nicht sein, weil er einen fremden Auftrag      
  26 ausrichtet. Dagegen als Gelehrter, der durch Schriften zum eigentlichen      
  27 Publicum, nämlich der Welt, spricht, mithin der Geistliche im öffentlichen      
  28 Gebrauche seiner Vernunft genießt einer uneingeschränkten Freiheit, sich      
  29 seiner eigenen Vernunft zu bedienen und in seiner eigenen Person zu sprechen.      
  30 Denn daß die Vormünder des Volks (in geistlichen Dingen) selbst wieder      
  31 unmündig sein sollen, ist eine Ungereimtheit, die auf Verewigung der Ungereimtheiten      
  32 hinausläuft.      
           
  33 Aber sollte nicht eine Gesellschaft von Geistlichen, etwa eine Kirchenversammlung,      
  34 oder eine ehrwürdige Classis (wie sie sich unter den Holländern      
  35 selbst nennt), berechtigt sein, sich eidlich unter einander auf ein gewisses      
  36 unveränderliches Symbol zu verpflichten, um so eine unaufhörliche Obervormundschaft      
  37 über jedes ihrer Glieder und vermittels ihrer über das      
           
     

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