Kant: AA VIII, Idee zu einer allgemeinen ... , Seite 029 |
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01 | Neunter Satz. |
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02 | Ein philosophischer Versuch, die allgemeine Weltgeschichte | ||||||
03 | nach einem Plane der Natur, der auf die vollkommene bürgerliche | ||||||
04 | Vereinigung in der Menschengattung abziele, zu bearbeiten, | ||||||
05 | muß als möglich und selbst für diese Naturabsicht beförderlich | ||||||
06 | angesehen werden. Es ist zwar ein befremdlicher und dem | ||||||
07 | Anscheine nach ungereimter Anschlag, nach einer Idee, wie der Weltlauf | ||||||
08 | gehen müßte, wenn er gewissen vernünftigen Zwecken angemessen sein sollte, | ||||||
09 | eine Geschichte abfassen zu wollen; es scheint, in einer solchen Absicht | ||||||
10 | könne nur ein Roman zu Stande kommen. Wenn man indessen annehmen | ||||||
11 | darf: daß die Natur selbst im Spiele der menschlichen Freiheit | ||||||
12 | nicht ohne Plan und Endabsicht verfahre, so könnte diese Idee doch wohl | ||||||
13 | brauchbar werden; und ob wir gleich zu kurzsichtig sind, den geheimen | ||||||
14 | Mechanism ihrer Veranstaltung durchzuschauen, so dürfte diese Idee uns | ||||||
15 | doch zum Leitfaden dienen, ein sonst planloses Aggregat menschlicher | ||||||
16 | Handlungen wenigstens im Großen als ein System darzustellen. Denn | ||||||
17 | wenn man von der griechischen Geschichte - als derjenigen, wodurch | ||||||
18 | uns jede andere ältere oder gleichzeitige aufbehalten worden, wenigstens | ||||||
19 | beglaubigt werden muß*) - anhebt; wenn man derselben Einfluß auf | ||||||
20 | die Bildung und Mißbildung des Staatskörpers des römischen Volks, | ||||||
21 | das den griechischen Staat verschlang, und des letzteren Einfluß auf die | ||||||
22 | Barbaren, die jenen wiederum zerstörten, bis auf unsere Zeit verfolgt; | ||||||
23 | dabei aber die Staatengeschichte anderer Völker, so wie deren Kenntniß | ||||||
24 | durch eben diese aufgeklärten Nationen allmählig zu uns gelangt ist, | ||||||
25 | episodisch hinzuthut: so wird man einen regelmäßigen Gang der Verbesserung | ||||||
26 | der Staatsverfassung in unserem Welttheile (der wahrscheinlicher | ||||||
27 | Weise allen anderen dereinst Gesetze geben wird) entdecken. Indem man | ||||||
*) Nur ein gelehrtes Publicum, das von seinem Anfange an bis zu uns ununterbrochen fortgedauert hat, kann die alte Geschichte beglaubigen. Über dasselbe hinaus ist alles terra incognita ; und die Geschichte der Völker, die außer demselben lebten, kann nur von der Zeit angefangen werden, da sie darin eintraten. Dies geschah mit dem jüdischen Volk zur Zeit der Ptolemäer durch die griechische Bibelübersetzung, ohne welche man ihren isolirten Nachrichten wenig Glauben beimessen würde. Von da (wenn dieser Anfang vorerst gehörig ausgemittelt worden) kann man aufwärts ihren Erzählungen nachgehen. Und so mit allen übrigen Völkern. Das erste Blatt im Thucydides (sagt Hume) ist der einzige Anfang aller wahren Geschichte. | |||||||
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