Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 325

   
         
 

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  01 sein thierischer Hang sein mag, sich den Anreizen der Gemächlichkeit und    
  02 des Wohllebens, die er Glückseligkeit nennt, passiv zu überlassen, sondern    
  03 vielmehr thätig, im Kampf mit den Hindernissen, die ihm von der    
  04 Rohigkeit seiner Natur anhängen, sich der Menschheit würdig zu machen.    
  05 Der Mensch muß also zum Guten erzogen werden; der aber, welcher    
  06 ihn erziehen soll, ist wieder ein Mensch, der noch in der Rohigkeit der    
  07 Natur liegt und nun doch dasjenige bewirken soll, was er selbst bedarf.    
  08 Daher die beständige Abweichung von seiner Bestimmung mit immer    
  09 wiederholten Einlenkungen zu derselben. - Wir wollen die Schwierigkeiten    
  10 der Auflösung dieses Problems und die Hindernisse derselben anführen.    
  11    
         
  12 A.    
  13 Die erste physische Bestimmung desselben besteht in dem Antriebe    
  14 des Menschen zur Erhaltung seiner Gattung als Thiergattung. - Aber    
  15 hier wollen nun schon die Naturepochen seiner Entwickelung mit den bürgerlichen    
  16 nicht zusammentreffen. Nach der ersteren ist er im Naturzustande    
  17 wenigstens in seinem 15ten Lebensjahr durch den Geschlechtsinstinct    
  18 angetrieben und auch vermögend, seine Art zu erzeugen und    
  19 zu erhalten. Nach der zweiten kann er es (im Durchschnitt) vor dem    
  20 20sten schwerlich wagen. Denn wenn der Jüngling gleich früh genug das    
  21 Vermögen hat, seine und eines Weibes Neigung als Weltbürger zu befriedigen,    
  22 so hat er doch lange noch nicht das Vermögen, als Staatsbürger    
  23 sein Weib und Kind zu erhalten. - Er muß ein Gewerbe erlernen, sich    
  24 in Kundschaft bringen, um ein Hauswesen mit einem Weibe anzufangen;    
  25 worüber aber in der geschliffenern Volksklasse auch wohl das 25ste Jahr    
  26 verfließen kann, ehe er zu seiner Bestimmung reif wird. - Womit füllt    
  27 er nun diesen Zwischenraum einer abgenöthigten und unnatürlichen Enthaltsamkeit    
  28 aus? Kaum anders als mit Lastern.    
         
  29 B.    
  30 Der Trieb zur Wissenschaft, als einer die Menschheit veredelnden Cultur,    
  31 hat im Ganzen der Gattung keine Proportion zur Lebensdauer. Der    
  32 Gelehrte, wenn er bis dahin in der Cultur vorgedrungen ist, um das Feld    
  33 derselben selbst zu erweitern, wird durch den Tod abgerufen, und seine    
  34 Stelle nimmt der Abc=Schüler ein, der kurz vor seinem Lebensende, nachdem    
  35 er eben so einen Schritt weiter gethan hat, wiederum seinen Platz    
         
     

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