Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 299 |
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01 | darf, einem Gebrechlichen wie der Pöbel seine körperliche Gebrechen | ||||||
02 | sogar, welche oft nur die geistigen Vorzüge zu erhöhen dienen, gar vorrückt; | ||||||
03 | welches, wenn es gegen in früher Jugend Verunglückte geschieht | ||||||
04 | (durch: du blinder, du lahmer Hund), sie wirklich bösartig und sie gegen | ||||||
05 | Wohlgebildete, die sich darum besser dünken, nach und nach erbittert macht. | ||||||
06 | Sonst sind die einheimischen ungewohnten Gesichter der Fremden für | ||||||
07 | Völker, die aus ihrem Lande nie herauskommen, gemeiniglich ein Gegenstand | ||||||
08 | des Spottes für diese. So rufen die kleinen Jungen in Japan, indem | ||||||
09 | sie den dorthin handelnden Holländern nachlaufen: "O welche große | ||||||
10 | Augen, welche große Augen!" und den Chinesen kommen die rothen Haare | ||||||
11 | mancher Europäer, die ihr Land besuchen, widrig, die blauen Augen derselben | ||||||
12 | aber lächerlich vor. | ||||||
13 | Was die bloßen Hirnschädel betrifft und ihre Figur, welche die Basis | ||||||
14 | ihrer Gestalt ausmacht, z. B. die der Negern, der Kalmücken, der Südsee | ||||||
15 | Indianer u. a., so wie sie von Camper und vorzüglich von Blumenbach | ||||||
16 | beschrieben werden: so gehören die Bemerkungen darüber mehr zur physischen | ||||||
17 | Geographie, als zur pragmatischen Anthropologie. Ein Mittleres | ||||||
18 | zwischen beiden kann die Bemerkung sein: daß die Stirn des männlichen | ||||||
19 | Geschlechts auch bei uns flach, die des weiblichen aber mehr kuglig zu | ||||||
20 | sein pflegt. | ||||||
21 | Ob ein Hügel auf der Nase einen Spötter anzeige, - ob die Eigenheit | ||||||
22 | der Gesichtsbildung der Chinesen, von denen man sagt, daß der untere | ||||||
23 | Kinnbacken etwas über den oberen hervorrage, eine Anzeige ihres Starrsinnes, | ||||||
24 | oder der Amerikaner ihre, deren Stirn von beiden Seiten mit | ||||||
25 | Haaren verwachsen ist, ein Zeichen eines angebornen Schwachsinns sei | ||||||
26 | u. s. w., sind Conjecturen, die eine nur unsichere Auslegung verstatten. | ||||||
27 | B. |
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28 | Von dem Charakteristischen in den Gesichtszügen. |
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29 | Einem Manne schadet es, selbst im Urtheile des weiblichen Geschlechts, | ||||||
30 | nicht, in seinem Gesicht durch Hautfarbe oder Pockennarben verunstaltet | ||||||
31 | und unlieblich geworden zu sein; denn wenn Gutmüthigkeit in seinen | ||||||
32 | Augen und zugleich der Ausdruck des Wackeren im Bewußtsein seiner | ||||||
33 | Kraft, mit Ruhe verbunden, aus seinen Blicken hervorleuchtet, so kann er | ||||||
34 | immer beliebt und liebenswürdig sein und dafür allgemein gelten. | ||||||
35 | Man scherzt mit solchen und ihrer Liebenswürdigkeit ( per antiphrasin ), | ||||||
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