Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 278

   
         
 

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  01 Conversation nach der Tafel dienen soll, ist doch gemeiniglich die Hauptsache:    
  02 als Erwerbmittel, wobei Affecten stark bewegt werden, wo eine gewisse    
  03 Convention des Eigennutzes, einander mit der größten Höflichkeit    
  04 zu plündern, errichtet und ein völliger Egoism, so lange das Spiel    
  05 dauert, zum Grundsatze gelegt wird, den keiner verläugnet; von welcher    
  06 Conversation bei aller Cultur, die sie in seinen Manieren bewirken    
  07 mag, die Vereinigung des geselligen Wohllebens mit der Tugend und hiemit    
  08 die wahre Humanität schwerlich sich wahre Beförderung versprechen    
  09 dürfte.    
         
  10 Das Wohlleben, was zu der letzteren noch am besten zusammen zu    
  11 stimmen scheint, ist eine gute Mahlzeit in guter (und wenn es sein    
  12 kann, auch abwechselnder) Gesellschaft, von der Chesterfield sagt: daß    
  13 sie nicht unter der Zahl der Grazien und auch nicht über die der Musen    
  14 sein müsse*).    
         
  15 Wenn ich eine Tischgesellschaft aus lauter Männern von Geschmack    
  16 (ästhetisch vereinigt) nehme**), so wie sie nicht blos gemeinschaftlich eine    
  17 Mahlzeit, sondern einander selbst zu genießen die Absicht haben (da dann    
  18 ihre Zahl nicht viel über die Zahl der Grazien betragen kann): so mu    
  19 diese kleine Tischgesellschaft nicht sowohl die leibliche Befriedigung - die    
  20 ein jeder auch für sich allein haben kann, - sondern das gesellige Vergnügen,    
  21 wozu jene nur das Vehikel zu sein scheinen muß, zur Absicht haben;    
  22 wo dann jene Zahl eben hinreichend ist, um die Unterredung nicht    
  23 stocken, oder auch in abgesonderten kleinen Gesellschaften mit dem nächsten    
  24 Beisitzer sich theilen zu lassen. Das letztere ist gar kein Conversationsgeschmack,    
         
    *) Zehn an einem Tische: weil der Wirth, der die Gäste bedient, sich nicht mitzählt.    
         
    **) In einer festlichen Tafel, an welcher die Anwesenheit der Damen die Freiheit der Chapeaus von selbst aufs Gesittete einschränkt, ist eine bisweilen sich eräugnende plötzliche Stille ein schlimmer, lange Weile drohender Zufall, bei dem keiner sich getraut, etwas Neues, zur Fortsetzung des Gesprächs Schickliches hinein zu spielen: weil er es nicht aus der Luft greifen, sondern es aus der Neuigkeit des Tages, die aber interessant sein muß, hernehmen soll. Eine einzige Person, vornehmlich wenn es die Wirthin des Hauses ist, kann diese Stockung oft allein verhüten und die Conversation im beständigen Gange erhalten: daß sie nämlich wie in einem Concert mit allgemeiner und lauter Fröhlichkeit beschließt und eben dadurch desto gedeihlicher ist; gleich dem Gastmahle des Plato, von dem der Gast sagte: "Deine Mahlzeiten gefallen nicht allein, wenn man sie genießt, sondern auch so oft man an sie denkt."    
         
     

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