Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 276 |
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01 | Von dem höchsten physischen Gut. |
[ entsprechender Abschnitt in den Reflexionen zur Antropologie (AA XV, 491) ] | |||||
02 | § 87. Der größte Sinnengenuß, der gar keine Beimischung von Ekel | ||||||
03 | bei sich führt, ist im gesunden Zustande Ruhe nach der Arbeit. - Der | ||||||
04 | Hang zur Ruhe ohne vorhergehende Arbeit in jenem Zustande ist Faulheit. | ||||||
05 | Doch ist eine etwas lange Weigerung, wiederum an seine Geschäfte | ||||||
06 | zu gehen, und das süße far niente zur Kräftensammlung darum | ||||||
07 | noch nicht Faulheit: weil man (auch im Spiel) angenehm und doch zugleich | ||||||
08 | nützlich beschäftigt sein kann, und auch der Wechsel der Arbeiten | ||||||
09 | ihrer specifischen Beschaffenheit nach zugleich so vielfältige Erholung ist; | ||||||
10 | da hingegen an eine schwere unvollendet gelassene Arbeit wieder zu gehen | ||||||
11 | ziemliche Entschlossenheit erfordert. | ||||||
12 | Unter den drei Lastern: Faulheit, Feigheit und Falschheit, | ||||||
13 | scheint das erstere das verächtlichste zu sein. Allein in dieser Beurtheilung | ||||||
14 | kann man dem Menschen oft sehr unrecht thun. Denn die Natur hat auch | ||||||
15 | den Abscheu für anhaltende Arbeit manchem Subject weislich in seinen | ||||||
16 | für ihn sowohl als Andere heilsamen Instinct gelegt: weil dieses etwa | ||||||
17 | keinen langen oder oft wiederholten Kräftenaufwand ohne Erschöpfung | ||||||
18 | vertrug, sondern gewisser Pausen der Erholung bedurfte. Demetrius | ||||||
19 | hätte daher nicht ohne Grund immer auch dieser Unholdin (der Faulheit) | ||||||
20 | einen Altar bestimmen können: indem, wenn nicht Faulheit noch dazwischen | ||||||
21 | träte, die rastlose Bosheit weit mehr Übels, als jetzt noch ist, | ||||||
22 | in der Welt verüben würde; wenn nicht Feigheit sich der Menschen erbarmte, | ||||||
23 | der kriegerische Blutdurst die Menschen bald aufreiben würde, | ||||||
24 | und, wäre nicht Falschheit [ da nämlich unter vielen sich zum Complott | ||||||
25 | vereinigenden Bösewichtern in großer Zahl (z. B. in einem Regiment) | ||||||
26 | immer einer sein wird, der es verräth ], bei der angebornen Bösartigkeit | ||||||
27 | der menschlichen Natur ganze Staaten bald gestürzt sein würden. | ||||||
28 | Die stärksten Antriebe der Natur, welche die Stelle der unsichtbar | ||||||
29 | das menschliche Geschlecht durch eine höhere, das physische Weltbeste allgemein | ||||||
30 | besorgende Vernunft (des Weltregierers) vertreten, ohne daß | ||||||
31 | menschliche Vernunft dazu hinwirken darf, sind Liebe zum Leben und | ||||||
32 | Liebe zum Geschlecht; die erstere um das Individuum, die zweite um | ||||||
33 | die Species zu erhalten, da dann durch Vermischung der Geschlechter im | ||||||
34 | Ganzen das Leben unserer mit Vernunft begabten Gattung fortschreitend | ||||||
35 | erhalten wird, unerachtet diese absichtlich an ihrer eigenen Zerstörung | ||||||
36 | (durch Kriege) arbeitet; welche doch die immer an Cultur wachsenden | ||||||
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