Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 274 |
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01 | c. |
[ entsprechender Abschnitt in den Reflexionen zur Antropologie (AA XV, 491) ] | |||||
02 | Habsucht. |
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03 | Geld ist die Losung, und wen Plutus begünstigt, vor dem öffnen sich | ||||||
04 | alle Pforten, die vor dem minder Reichen verschlossen sind. Die Erfindung | ||||||
05 | dieses Mittels, welches sonst keine Brauchbarkeit hat (wenigstens | ||||||
06 | nicht haben darf) als blos zum Verkehr des Fleißes der Menschen, hiemit | ||||||
07 | aber auch alles Physisch=Guten unter ihnen zu dienen, vornehmlich nachdem | ||||||
08 | es durch Metalle repräsentirt wird, hat eine Habsucht hervorgebracht, | ||||||
09 | die zuletzt auch ohne Genuß in dem bloßen Besitze, selbst mit Verzichtthuung | ||||||
10 | (des Geizigen) auf allen Gebrauch eine Macht enthält, von der man | ||||||
11 | glaubt, daß sie den Mangel jeder anderen zu ersetzen hinreichend sei. Diese | ||||||
12 | ganz geistlose, wenn gleich nicht immer moralisch verwerfliche, doch blos | ||||||
13 | mechanisch geleitete Leidenschaft, welche vornehmlich dem Alter (zum Ersatz | ||||||
14 | seines natürlichen Unvermögens) anhängt und die jenem allgemeinen | ||||||
15 | Mittel seines großen Einflusses halber auch schlechthin den Namen eines | ||||||
16 | Vermögens verschafft hat, ist eine solche, die, wenn sie eingetreten ist, | ||||||
17 | keine Abänderung verstattet und, wenn die erste der drei gehaßt, die | ||||||
18 | zweite gefürchtet, sie als die dritte verachtet macht*). | ||||||
19 | Von der Neigung des Wahnes als Leidenschaft. |
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20 | § 86. Unter dem Wahne, als einer Triebfeder der Begierden, verstehe | ||||||
21 | ich die innere praktische Täuschung, das Subjective in der Bewegursache | ||||||
22 | für objectiv zu halten. - Die Natur will von Zeit zu Zeit stärkere | ||||||
23 | Erregungen der Lebenskraft, um die Thätigkeit des Menschen aufzufrischen, | ||||||
24 | damit er nicht im bloßen Genießen das Gefühl des Lebens gar | ||||||
25 | einbüße. Zu diesem Zwecke hat sie sehr weise und wohlthätig dem von | ||||||
26 | Natur faulen Menschen Gegenstände seiner Einbildung nach als wirkliche | ||||||
27 | Zwecke (Erwerbungsarten von Ehre, Gewalt und Geld) vorgespiegelt, die | ||||||
28 | ihm, der ungern ein Geschäfte unternimmt, doch genug zu schaffen | ||||||
*) Hier ist die Verachtung im moralischen Sinne zu verstehen; denn im bürgerlichen, wenn es sich zutrifft, daß, wie Pope sagt, "der Teufel in einem goldenen Regen von funfzig auf hundert dem Wucherer in den Schooß fällt und sich seiner Seele bemächtigt", bewundert vielmehr der große Haufe den Mann, der so große Handelsweisheit beweiset. | |||||||
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