Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 242 |
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01 | schönen Seele sagt man alles, was sich, sie zum Zweck der innersten | ||||||
02 | Vereinigung mit ihr zu machen, sagen läßt; denn Seelengröße und | ||||||
03 | Seelenstärke betreffen die Materie (die Werkzeuge zu gewissen Zwecken); | ||||||
04 | aber die Seelengüte, die reine Form, unter der alle Zwecke sich müssen | ||||||
05 | vereinigen lassen und die daher, wo sie angetroffen wird, gleich dem Eros | ||||||
06 | der Fabelwelt urschöpferisch, aber auch überirdisch ist, - diese | ||||||
07 | Seelengüte ist doch der Mittelpunkt, um welchen das Geschmacksurtheil | ||||||
08 | alle seine Urtheile der mit der Freiheit des Verstandes vereinbaren sinnlichen | ||||||
09 | Lust versammelt. | ||||||
10 | Anmerkung. Wie mag es doch gekommen sein, daß vornehmlich die | ||||||
11 | neueren Sprachen das ästhetische Beurtheilungsvermögen mit einem Ausdruck | ||||||
12 | ( gustus, sapor ), der blos auf ein gewisses Sinnenwerkzeug (das | ||||||
13 | Innere des Mundes und die Unterscheidung sowohl als die Wahl genießbarer | ||||||
14 | Dinge durch dasselbe hinweiset, bezeichnet haben? - Es ist keine | ||||||
15 | Lage, wo Sinnlichkeit und Verstand, in einem Genusse vereinigt, so lange | ||||||
16 | fortgesetzt und so oft mit Wohlgefallen wiederholt werden können, - als | ||||||
17 | eine gute Mahlzeit in guter Gesellschaft. - Die erstere wird aber hierbei | ||||||
18 | nur als Vehikel der Unterhaltung der letzteren angesehen. Der ästhetische | ||||||
19 | Geschmack des Wirths zeigt sich nun in der Geschicklichkeit allgemeingültig | ||||||
20 | zu wählen; welches er aber durch seinen eigenen Sinn nicht bewerkstelligen | ||||||
21 | kann: weil seine Gäste sich vielleicht andere Speisen oder Getränke, jeder | ||||||
22 | nach seinem Privatsinn, auswählen würden. Er setzt also seine Veranstaltung | ||||||
23 | in der Mannigfaltigkeit: daß nämlich für jeden nach seinem | ||||||
24 | Sinn einiges angetroffen werde; welches eine comparative Allgemeingültigkeit | ||||||
25 | abgiebt. Von seiner Geschicklichkeit, die Gäste selbst zur wechselseitigen | ||||||
26 | allgemeinen Unterhaltung zu wählen (welche auch wohl Geschmack | ||||||
27 | genannt wird, eigentlich aber Vernunft in ihrer Anwendung auf den Geschmack | ||||||
28 | und von diesem noch verschieden ist), kann in der gegenwärtigen | ||||||
29 | Frage nicht die Rede sein. Und so hat das Organgefühl durch einen besondern | ||||||
30 | Sinn den Namen für ein ideales, nämlich einer sinnlich=allgemeingültigen | ||||||
31 | Wahl überhaupt, hergeben können. - Noch sonderbarer ist es: | ||||||
32 | daß die Geschicklichkeit der Erprobung durch den Sinn, ob etwas ein | ||||||
33 | Gegenstand des Genusses eines und desselben Subjects (nicht ob dessen | ||||||
34 | Wahl allgemeingültig) sei ( sapor ), sogar zur Benennung der Weisheit | ||||||
35 | ( sapientia ) hinaufgeschroben worden; vermuthlich deswegen, weil ein unbedingt | ||||||
36 | nothwendiger Zweck keines Überlegens und Versuchens bedarf, | ||||||
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