Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 237

   
         
 

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  01 weniger fähig macht. Auf welchem Wege man aber auch immer Vergnügen    
  02 suchen mag: so ist es, wie bereits oben gesagt, eine Hauptmaxime, es    
  03 sich so zuzumessen, daß man noch immer damit steigen kann; denn damit    
  04 gesättigt zu sein, bewirkt denjenigen ekelnden Zustand, der dem verwöhnten    
  05 Menschen das Leben selbst zur Last macht und Weiber unter dem    
  06 Namen der Vapeurs verzehrt. - - Junger Mensch! (ich wiederhole es)    
  07 gewinne die Arbeit lieb; versage dir Vergnügungen, nicht um ihnen zu entsagen,    
  08 sondern so viel als möglich immer nur im Prospect zu behalten!    
  09 Stumpfe die Empfänglichkeit für dieselbe nicht durch Genuß frühzeitig ab!    
  10 Die Reife des Alters, welche die Entbehrung eines jeden physischen Genusses    
  11 nie bedauren läßt, wird selbst in dieser Aufopferung dir ein Capital    
  12 von Zufriedenheit zusichern, welches vom Zufall oder dem Naturgesetz unabhängig    
  13 ist.    
         
  14 § 64. Wir urtheilen aber auch über Vergnügen und Schmerz durch [ entsprechender Abschnitt in den Reflexionen zur Antropologie (AA XV, 263)]    
  15 ein höheres Wohlgefallen oder Mißfallen an uns selbst (nämlich das    
  16 moralische): ob wir uns demselben weigern oder überlassen sollen.    
         
  17 1) Der Gegenstand kann angenehm sein, aber das Vergnügen an    
  18 demselben mißfallen. Daher der Ausdruck von einer bitteren Freude.    
  19 - Der, welcher in mißlichen Glücksumständen ist und nun seine Ältern    
  20 oder einen würdigen und wohlthätigen Anverwandten beerbt, kann nicht    
  21 vermeiden sich über ihr Absterben zu freuen; aber auch nicht, sich diese    
  22 Freude zu verweisen. Eben das geschieht im Gemüthe eines Adjuncts,    
  23 der einem von ihm verehrten Vorgänger mit ungeheuchelter Traurigkeit    
  24 im Leichenbegängnisse folgt.    
         
  25 2) Der Gegenstand kann unangenehm sein; aber der Schmerz    
  26 über ihn gefällt. Daher der Ausdruck süßer Schmerz: z. B. einer    
  27 sonst wohlhabend hinterlassenen Wittwe, die sich nicht will trösten lassen;    
  28 welches oft ungebührlicherweise für Affectation ausgelegt wird.    
         
  29 Dagegen kann das Vergnügen überdem noch gefallen, nämlich dadurch    
  30 daß der Mensch an solchen Gegenständen, mit denen sich zu beschäftigen    
  31 ihm Ehre macht, ein Vergnügen findet: z. B. die Unterhaltung mit    
  32 schönen Künsten statt des bloßen Sinnengenusses und dazu noch das    
  33 Wohlgefallen daran, daß er (als ein feiner Mann) eines solchen Vergnügens    
  34 fähig ist. - Eben so kann der Schmerz eines Menschen obenein ihm    
  35 noch mißfallen. Jeder Haß eines Beleidigten ist Schmerz; aber der Wohldenkende    
  36 kann doch nicht umhin, es sich zu verweisen, daß selbst nach der    
  37 Genugthuung er noch immer einen Groll gegen ihn übrig behält.    
         
         
     

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