Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 235 |
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01 | Hinsicht (mit seinem Wohlbefinden, was er sich durch Geschicklichkeit und | ||||||
02 | Klugheit zu verschaffen denkt). Die Natur hat den Schmerz zum Stachel | ||||||
03 | der Thätigkeit in ihn gelegt, dem er nicht entgehen kann, um immer zum | ||||||
04 | Bessern fortzuschreiten, und auch im letzten Augenblicke des Lebens ist die | ||||||
05 | Zufriedenheit mit dem letzten Abschnitte desselben nur comparativ (theils | ||||||
06 | indem wir uns mit dem Loose Anderer, theils auch mit uns selbst vergleichen) | ||||||
07 | so zu nennen; nie aber ist sie rein und vollständig. - Im Leben | ||||||
08 | (absolut) zufrieden zu sein, wäre thatlose Ruhe und Stillstand der Triebfedern, | ||||||
09 | oder Abstumpfung der Empfindungen und der damit verknüpften | ||||||
10 | Thätigkeit. Eine solche aber kann eben so wenig mit dem intellectuellen | ||||||
11 | Leben des Menschen zusammen bestehen, als der Stillstand des Herzens | ||||||
12 | in einem thierischen Körper, auf den, wenn nicht (durch den Schmerz) ein | ||||||
13 | neuer Anreiz ergeht, unvermeidlich der Tod folgt. | ||||||
14 | Anmerkung. In diesem Abschnitte sollte nun auch von Affecten, | ||||||
15 | als Gefühlen der Lust und Unlust, die die Schranken der inneren Freiheit | ||||||
16 | im Menschen überschreiten, gehandelt werden. Allein da diese mit den | ||||||
17 | Leidenschaften, welche in einem anderen Abschnitte, nämlich dem des | ||||||
18 | Begehrungsvermögens, vorkommen, oft vermengt zu werden pflegen und | ||||||
19 | doch auch damit in naher Verwandtschaft stehen: so werde ich ihre Erörterung | ||||||
20 | bei Gelegenheit dieses dritten Abschnittes vornehmen. | ||||||
21 | § 62. Habituell zur Fröhlichkeit gestimmt zu sein, ist zwar mehrentheils | ||||||
22 | eine Temperamentseigenschaft, kann aber auch oft eine Wirkung | ||||||
23 | von Grundsätzen sein; wie Epikurs von anderen so genanntes und darum | ||||||
24 | verschrieenes Wohllustsprincip, was eigentlich das stets fröhliche | ||||||
25 | Herz des Weisen bedeuten sollte. - Gleichmüthig ist der, welcher | ||||||
26 | sich weder erfreut noch betrübt, und von dem, der gegen die Zufälle des | ||||||
27 | Lebens gleichgültig, mithin von stumpfem Gefühl ist, sehr unterschieden. | ||||||
28 | Von der Gleichmüthigkeit unterscheidet sich die launische Sinnesart | ||||||
29 | (vermuthlich hat sie anfänglich lunatisch geheißen), welche eine Disposition | ||||||
30 | zu Anwandlungen eines Subjects zur Freude oder Traurigkeit ist, | ||||||
31 | von denen dieses sich selbst keinen Grund angeben kann, und die vornehmlich | ||||||
32 | den Hypochondristen anhängt. Sie ist von dem launichten Talent | ||||||
33 | (eines Butler oder Sterne) ganz unterschieden, welches durch die absichtlich | ||||||
34 | verkehrte Stellung, in die der witzige Kopf die Gegenstände setzt | ||||||
35 | (gleichsam sie auf den Kopf stellt), mit schalkhafter Einfalt dem Zuhörer | ||||||
36 | oder Leser das Vergnügen macht, sie selbst zurecht zu stellen. - Empfindsamkeit | ||||||
37 | ist jener Gleichmüthigkeit nicht entgegen. Denn sie ist ein Vermögen | ||||||
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