Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 173

   
         
 

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  01 für die Empfindung frei macht, muß er allererst sehen und hören lernen,    
  02 d. i. seine Wahrnehmungen unter Begriffe von dieser Art Gegenstände zu    
  03 bringen suchen.    
         
  04 Begriffe von Gegenständen veranlassen oft, ihnen ein selbstgeschaffenes    
  05 Bild (durch productive Einbildungskraft) unwillkürlich unterzulegen.    
  06 Wenn man das Leben und die Thaten eines dem Talent, Verdienst oder    
  07 Rang nach großen Mannes liest oder sich erzählen läßt, so wird man gemeiniglich    
  08 verleitet, ihm in der Einbildungskraft eine ansehnliche Statur    
  09 zu geben, und dagegen einem der Beschreibung nach feinen und sanften    
  10 im Charakter eine kleinlich=geschmeidige Bildung. Nicht blos der Bauer,    
  11 sondern auch wohl ein genugsam mit der Welt Bekannter findet sich doch    
  12 befremdet, wenn ihm der Held, den er sich nach den von ihm erzählten    
  13 Thaten dachte, als ein kleines Männchen, umgekehrt der feine und sanfte    
  14 Hume ihm als ein vierschrötiger Mann vorgewiesen wird. - Daher mu    
  15 man auch die Erwartung von Etwas nicht hoch spannen, weil die Einbildungskraft    
  16 natürlicherweise bis zum Äußersten zu steigern geneigt ist;    
  17 denn die Wirklichkeit ist immer beschränkter als die Idee, die ihrer Ausführung    
  18 zum Muster dient.    
         
  19 Es ist nicht rathsam von einer Person, die man zuerst in eine Gesellschaft    
  20 einführen will, vorher viel Hochpreisens zu machen; vielmehr kann    
  21 es oft ein boshaftes Stückchen von einem Schalk sein, jene lächerlich zu    
  22 machen. Denn die Einbildungskraft steigert die Vorstellung von dem,    
  23 was erwartet wird, so hoch, daß die genannte Person in Vergleichung mit    
  24 der vorgefaßten Idee nicht anders als einbüßen kann. Eben das geschieht,    
  25 wenn man eine Schrift, ein Schauspiel, oder sonst etwas, was zur schönen    
  26 Manier gehört, mit übertriebener Lobpreisung ankündigt; denn da kann    
  27 es, wenn es zur Darstellung kommt, nicht anders als sinken. Selbst ein    
  28 gutes Schauspiel nur gelesen zu haben, schwächt schon den Eindruck, wenn    
  29 man es aufführen sieht. - Ist nun aber das vorher Gepriesene gar das    
  30 gerade Widerspiel von dem, worauf die Erwartung gespannt war, so    
  31 erregt der aufgeführte Gegenstand, wenn er sonst unschädlich ist, das größte    
  32 Gelächter.    
         
  33 Wandelbare, in Bewegung gesetzte Gestalten, die für sich eigentlich    
  34 keine Bedeutung haben, welche Aufmerksamkeit erregen könnte, - dergleichen    
  35 das Flackern eines Kaminfeuers, oder die mancherlei Drehungen    
  36 und Blasenbewegungen eines über Steine rieselnden Bachs sind, unterhalten    
  37 die Einbildungskraft mit einer Menge von Vorstellungen ganz    
         
     

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