Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 145 |
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01 | Masse) darstellen, bringt diesen zwar oft in Verlegenheit wegen seines | ||||||
02 | vernünftigen Gebrauchs, und der Verstand geräth oft in Verwirrung, | ||||||
03 | wenn er sich alle Acte der Reflexion, die er hiebei wirklich, obzwar im | ||||||
04 | Dunkelen, anstellt, deutlich machen und auseinander setzen soll. Aber die | ||||||
05 | Sinnlichkeit ist hiebei in keiner Schuld, sondern es ist vielmehr Verdienst | ||||||
06 | von ihr, dem Verstande reichhaltigen Stoff, wogegen die abstracten Begriffe | ||||||
07 | desselben oft nur schimmernde Armseligkeiten sind, dargeboten zu | ||||||
08 | haben. | ||||||
09 | Rechtfertigung der Sinnlichkeit gegen die |
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10 | zweite Anklage. |
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11 | § 10. Die Sinne gebieten nicht über den Verstand. Sie bieten | ||||||
12 | sich vielmehr nur dem Verstande an, um über ihren Dienst zu disponiren. | ||||||
13 | daß sie ihre Wichtigkeit nicht verkannt wissen wollen, die ihnen vornehmlich | ||||||
14 | in dem zukommt, was man den gemeinen Menschensinn ( sensus communis ) | ||||||
15 | nennt, kann ihnen nicht für Anmaßung über den Verstand herrschen | ||||||
16 | zu wollen angerechnet werden. Zwar giebt es Urtheile, die man | ||||||
17 | eben nicht förmlich vor den Richterstuhl des Verstandes zieht, um von | ||||||
18 | ihm abgeurtheilt zu werden; die daher unmittelbar durch den Sinn dictirt | ||||||
19 | zu sein scheinen. Dergleichen enthalten die sogenannten Sinnsprüche oder | ||||||
20 | orakelmäßigen Anwandlungen (wie diejenigen, deren Ausspruch Sokrates | ||||||
21 | seinem Genius zuschrieb). Es wird nämlich dabei vorausgesetzt, daß das | ||||||
22 | erste Urtheil über das, was in einem vorkommenden Falle zu thun recht | ||||||
23 | und weise ist, gemeiniglich auch das richtige sei und durch Nachgrübeln | ||||||
24 | nur verkünstelt werde. Aber sie kommen in der That nicht aus den Sinnen, | ||||||
25 | sondern aus wirklichen, obzwar dunkelen Überlegungen des Verstandes. | ||||||
26 | Die Sinne machen darauf keinen Anspruch und sind wie das gemeine | ||||||
27 | Volk, welches, wenn es nicht Pöbel ist ( ignobile vulgus ), seinem Obern, | ||||||
28 | dem Verstande, sich zwar gern unterwirft, aber doch gehört werden will. | ||||||
29 | Wenn aber gewisse Urtheile und Einsichten als unmittelbar aus dem innern | ||||||
30 | Sinn (nicht vermittelst des Verstandes) hervorgehend, sondern dieser | ||||||
31 | als für sich gebietend und Empfindungen für Urtheile geltend angenommen | ||||||
32 | werden, so ist das baare Schwärmerei, welche mit der Sinnenverrückung | ||||||
33 | in naher Verwandtschaft steht. | ||||||
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