Kant: AA VII, Der Streit der ... , Seite 069 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
Verknüpfungen:
|
|
||||
01 | Leitung geben: nämlich den Text nur (wenigstens hauptsächlich) als | ||||||
02 | Veranlassung zu allem Sittenbessernden, was sich dabei denken läßt, zu | ||||||
03 | behandeln, ohne was die heil. Schriftsteller dabei selbst im Sinne gehabt | ||||||
04 | haben möchten, nachforschen zu dürfen. - Eine auf Erbauung als Endzweck | ||||||
05 | gerichtete Predigt (wie denn das eine jede sein soll) muß die Belehrung | ||||||
06 | aus den Herzen der Zuhörer, nämlich der natürlichen moralischen | ||||||
07 | Anlage, selbst des unbelehrtesten Menschen, entwickeln, wenn die dadurch | ||||||
08 | zu bewirkende Gesinnung lauter sein soll. Die damit verbundene Zeugnisse | ||||||
09 | der Schrift sollen auch nicht die Wahrheit dieser Lehren bestätigende | ||||||
10 | historische Beweisgründe sein(denn deren bedarf die sittlich=thätige | ||||||
11 | Vernunft hiebei nicht: und das empirische Erkenntniß vermag es auch | ||||||
12 | nicht), sondern blos Beispiele der Anwendung der praktischen Vernunftprincipien | ||||||
13 | auf Facta der h. Geschichte, um ihre Wahrheit anschaulicher zu | ||||||
14 | machen; welches aber auch ein sehr schätzbarer Vortheil für Volk und Staat | ||||||
15 | auf der ganzen Erde ist. | ||||||
16 | Anhang |
||||||
17 | Von einer reinen Mystik in der Religion.*) |
||||||
18 | Ich habe aus der Kritik der reinen Vernunft gelernt, daß Philosophie | ||||||
19 | nicht etwa eine Wissenschaft der Vorstellungen, Begriffe und Ideen, oder | ||||||
20 | eine Wissenschaft aller Wissenschaften, oder sonst etwas Ähnliches sei; sondern | ||||||
21 | eine Wissenschaft des Menschen, seines Vorstellens, Denkens und | ||||||
22 | Handelns; - sie soll den Menschen nach allen seinen Bestandtheilen darstellen, | ||||||
23 | wie er ist und sein soll, d. h. sowohl nach seinen Naturbestimmungen, | ||||||
24 | als auch nach seinem Moralitäts= und Freiheitsverhältniß. Hier | ||||||
25 | wies nun die alte Philosophie dem Menschen einen ganz unrichtigen Standpunkt | ||||||
26 | in der Welt an, indem sie ihn in dieser zu einer Maschine machte, | ||||||
27 | die als solche gänzlich von der Welt oder von den Außendingen und Umständen | ||||||
28 | abhängig sein mußte; sie machte also den Menschen zu einem beinahe | ||||||
*) In einem seiner Dissertation: De similitudine inter Mysticismum purum et Kantianam religionis doctrinam. Auctore Carol. Arnold. Wilmans, Bielefelda-Guestphalo, Halis Saxonum 1797. beigefügten Briefe, welchen ich mit seiner Erlaubniß und mit Weglassung der Einleitungs= und Schlußhöflichkeitsstellen hiemit liefere, und welcher diesen jetzt der Arzneiwissenschaft sich widmenden jungen Mann als einen solchen bezeichnet, von dem sich auch in anderen Fächern der Wissenschaft viel erwarten läßt. Wobei ich gleichwohl jene Ähnlichkeit meiner Vorstellungsart mit der seinigen unbedingt einzugestehen nicht gemeint bin. | |||||||
[ Seite 068 ] [ Seite 070 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |