Kant: AA VII, Der Streit der ... , Seite 048 |
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01 | Auf solche Weise müssen alle Schriftauslegungen, so fern sie die | ||||||
02 | Religion betreffen, nach dem Princip der in der Offenbarung abgezweckten | ||||||
03 | Sittlichkeit gemacht werden und sind ohne das entweder praktisch | ||||||
04 | leer oder gar Hindernisse des Guten. - Auch sind sie alsdann nur eigentlich | ||||||
05 | authentisch, d. i. der Gott in uns ist selbst der Ausleger, weil wir | ||||||
06 | niemand verstehen als den, der durch unsern eigenen Verstand und unsere | ||||||
07 | eigene Vernunft mit uns redet, die Göttlichkeit einer an uns ergangenen | ||||||
08 | Lehre also durch nichts, als durch Begriffe unserer Vernunft, so fern sie | ||||||
09 | rein=moralisch und hiemit untrüglich sind, erkannt werden kann. | ||||||
10 | Allgemeine Anmerkung. |
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11 | Von Religionssecten. |
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12 | In dem, was eigentlich Religion genannt zu werden verdient, kann | ||||||
13 | es keine Sectenverschiedenheit geben (denn sie ist einig, allgemein und nothwendig, | ||||||
14 | mithin unveränderlich), wohl aber in dem, was den Kirchenglauben | ||||||
15 | betrifft, er mag nun blos auf die Bibel, oder auch auf Tradition | ||||||
16 | gegründet sein: so fern der Glaube an das, was blos Vehikel der Religion | ||||||
17 | ist, für Artikel derselben gehalten wird. | ||||||
18 | Es wäre Herculische und dabei undankbare Arbeit, nur blos die | ||||||
19 | Secten des Christenthums , wenn man unter ihm den messianischen | ||||||
20 | Glauben versteht, alle aufzuzählen; denn da ist jenes blos eine Secte*) | ||||||
21 | des letztern, so daß es dem Judenthum in engerer Bedeutung (in dem | ||||||
22 | letzten Zeitpunkt seiner ungetheilten Herrschaft über das Volk) entgegengesetzt | ||||||
23 | wird, wo die Frage ist: "Bist du es, der da kommen soll, oder sollen | ||||||
*)Es ist eine Sonderbarkeit des deutschen Sprachgebrauchs (oder Mißbrauchs), daß sich die Anhänger unserer Religion Christen nennen; gleich als ob es mehr als einen Christus gebe und jeder Gläubige ein Christus wäre. Sie müßten sich Christianer nennen. - Aber dieser Name würde sofort wie ein Sectenname angesehen werden von Leuten, denen man (wie im Peregrinus Proteus geschieht) viel Übels nachsagen kann: welches in Ansehung der Christen nicht Statt findet. - So verlangte ein Recensent in der Hallischen gel. Zeitung, daß der Name Jehovah durch Jahwoh ausgesprochen werden sollte. Aber diese Veränderung würde eine bloße Nationalgottheit, nicht den Herrn der Welt zu bezeichnen scheinen. | |||||||
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