Kant: AA VII, Der Streit der ... , Seite 006 |
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01 | Vernunft" heraus,*) und da ich, um keiner Schleichwege beschuldigt zu | ||||||
02 | werden, allen meinen Schriften meinen Namen vorsetze, so erging an mich | ||||||
03 | im Jahr 1794 folgendes Königl. Rescript, von welchem es merkwürdig ist, | ||||||
04 | daß es, da ich nur meinem vertrautesten Freunde die Existenz desselben | ||||||
05 | bekannt machte, auch nicht eher als jetzt öffentlich bekannt wurde. | ||||||
06 | Von Gottes Gnaden Friedrich Wilhelm, König von Preußen | ||||||
07 | etc. etc. | ||||||
08 | Unsern gnädigen Gruß zuvor. Würdiger und Hochgelahrter, lieber | ||||||
09 | Getreuer! Unsere höchste Person hat schon seit geraumer Zeit mit großem | ||||||
10 | Mißfallen ersehen: wie Ihr eure Philosophie zu Entstellung und Herabwürdigung | ||||||
11 | mancher Haupt= und Grundlehren der heiligen Schrift und des | ||||||
12 | Christenthums mißbraucht; wie Ihr dieses namentlich in Eurem Buch: | ||||||
13 | "Religion innerhalb der Gränzen der bloßen Vernunft," desgleichen in | ||||||
14 | anderen, kleineren Abhandlungen gethan habt. Wir haben uns zu Euch | ||||||
15 | eines Besseren versehen, da Ihr selbst einsehen müsset, wie unverantwortlich | ||||||
16 | Ihr dadurch gegen Eure Pflicht als Lehrer der Jugend und gegen | ||||||
17 | Unsere Euch sehr wohl bekannte landesväterliche Absichten handelt. Wir | ||||||
18 | verlangen des ehsten Eure gewissenhafteste Verantwortung und gewärtigen | ||||||
19 | uns von Euch bei Vermeidung Unserer höchsten Ungnade, daß Ihr Euch | ||||||
20 | künftighin Nichts dergleichen werdet zu Schulden kommen lassen, sondern | ||||||
21 | vielmehr Eurer Pflicht gemäß Euer Ansehen und Eure Talente dazu anwenden | ||||||
22 | daß Unsere landesväterliche Intention je mehr und mehr erreicht | ||||||
23 | werde; widrigenfalls Ihr Euch bei fortgesetzter Renitenz unfehlbar unangenehmer | ||||||
24 | Verfügungen zu gewärtigen habt. | ||||||
25 | Sind Euch mit Gnade gewogen. Berlin, den 1. October 1794. | ||||||
26 | Auf Seiner Königl. Majestät | ||||||
27 | allergnädigsten Specialbefehl. | ||||||
28 | Woellner. | ||||||
*) Diese Betitelung war absichtlich so gestellt, damit man jene Abhandlung nicht dahin deutete: als sollte sie die Religion aus bloßer Vernunft (ohne Offenbarung) bedeuten; denn das wäre zuviel Anmaßung gewesen: weil es doch sein konnte, daß die Lehren derselben von übernatürlich inspirirten Männern herrührten; sondern daß ich nur dasjenige, was im Text der für geoffenbart geglaubten Religion, der Bibel, auch durch bloße Vernunft erkannt werden kann, hier in einem Zusammenhange vorstellig machen wollte. | |||||||
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