Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 396 |
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04 | Daß der äußere Zwang, so fern dieser ein dem Hindernisse der nach | ||||||
05 | allgemeinen Gesetzen zusammenstimmenden äußeren Freiheit entgegengesetzter | ||||||
06 | Widerstand (ein Hinderniß des Hindernisses derselben) ist, mit | ||||||
07 | Zwecken überhaupt zusammen bestehen könne, ist nach dem Satz des | ||||||
08 | Widerspruchs klar, und ich darf nicht über den Begriff der Freiheit hinausgehen, | ||||||
09 | um ihn einzusehen; der Zweck, den ein jeder hat, mag sein, | ||||||
10 | welcher er wolle. - Also ist das oberste Rechtsprincip ein analytischer | ||||||
11 | Satz. | ||||||
12 | Dagegen geht das Princip der Tugendlehre über den Begriff der | ||||||
13 | äußern Freiheit hinaus und verknüpft nach allgemeinen Gesetzen mit demselben | ||||||
14 | noch einen Zweck, den es zur Pflicht macht. Dieses Princip ist | ||||||
15 | also synthetisch. - Die Möglichkeit desselben ist in der Deduction (§ IX) | ||||||
16 | enthalten. | ||||||
17 | Diese Erweiterung des Pflichtbegriffs über den der äußeren Freiheit | ||||||
18 | und der Einschränkung derselben durch das bloße Förmliche ihrer durchgängigen | ||||||
19 | Zusammenstimmung, wo die innere Freiheit statt des Zwanges | ||||||
20 | von außen, das Vermögen des Selbstzwanges und zwar nicht vermittelst | ||||||
21 | anderer Neigungen, sondern durch reine praktische Vernunft (welche | ||||||
22 | alle diese Vermittelung verschmäht), aufgestellt wird, besteht darin | ||||||
23 | und erhebt sich dadurch über die Rechtspflicht: daß durch sie Zwecke aufgestellt | ||||||
24 | werden, von denen überhaupt das Recht abstrahirt. - Im moralischen | ||||||
25 | Imperativ und der nothwendigen Voraussetzung der Freiheit zum | ||||||
26 | Behuf desselben machen das Gesetz, das Vermögen (es zu erfüllen) und | ||||||
27 | der die Maxime bestimmende Wille alle Elemente aus, welche den Begriff | ||||||
28 | der Rechtspflicht bilden. Aber in demjenigen, welcher die Tugendpflicht | ||||||
29 | gebietet, kommt noch über den Begriff eines Selbstzwanges der | ||||||
30 | eines Zwecks dazu, nicht den wir haben, sondern haben sollen, den also | ||||||
31 | die reine praktische Vernunft in sich hat, deren höchster, unbedingter Zweck | ||||||
32 | (der aber doch immer noch Pflicht ist) darin gesetzt wird: daß die Tugend | ||||||
33 | ihr eigener Zweck und bei dem Verdienst, das sie um den Menschen hat, | ||||||
34 | auch ihr eigener Lohn sei [ wobei sie als Ideal so glänzt, daß sie nach | ||||||
35 | menschlichem Augenmaß die Heiligkeit selbst, die zur Übertretung nie | ||||||
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