Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 393

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 die nur Glückliche sind, so vielen Versuchungen entgangen zu sein; wie      
  02 viel reiner moralischer Gehalt bei jeder That in der Gesinnung gelegen      
  03 habe, das bleibt ihnen selbst verborgen.      
           
  04 Also ist auch diese Pflicht, den Werth seiner Handlungen nicht blos      
  05 nach der Legalität, sondern auch der Moralität (Gesinnung) zu schätzen,      
  06 nur von weiter Verbindlichkeit, das Gesetz gebietet nicht diese innere      
  07 Handlung im menschlichen Gemüth selbst, sondern blos die Maxime der      
  08 Handlung, darauf nach allem Vermögen auszugehen: daß zu allen pflichtmäßigen      
  09 Handlungen der Gedanke der Pflicht für sich selbst hinreichende      
  10 Triebfeder sei.      
           
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2. Fremde Glückseligkeit als Zweck, der zugleich Pflicht ist.
     
           
  12 a) Physische Wohlfahrt. Das Wohlwollen kann unbegränzt      
  13 sein; denn es darf hiebei nichts gethan werden. Aber mit dem Wohlthun,      
  14 vornehmlich wenn es nicht aus Zuneigung (Liebe) zu Anderen, sondern      
  15 aus Pflicht, mit Aufopferung und Kränkung mancher Concupiscenz geschehen      
  16 soll, geht es schwieriger zu. - Daß diese Wohlthätigkeit Pflicht      
  17 sei, ergiebt sich daraus: daß, weil unsere Selbstliebe von dem Bedürfniß      
  18 von Anderen auch geliebt (in Nothfällen geholfen) zu werden nicht getrennt      
  19 werden kann, wir also uns zum Zweck für Andere machen und diese      
  20 Maxime niemals anders als blos durch ihre Qualification zu einem allgemeinen      
  21 Gesetz, folglich durch einen Willen Andere auch für uns zu      
  22 Zwecken zu machen verbinden kann, fremde Glückseligkeit ein Zweck sei,      
  23 der zugleich Pflicht ist.      
           
  24 Allein ich soll mit einem Theil meiner Wohlfahrt ein Opfer an Andere      
  25 ohne Hoffnung der Wiedervergeltung machen, weil es Pflicht ist, und      
  26 nun ist unmöglich bestimmte Grenzen anzugeben: wie weit das gehen      
  27 könne. Es kommt sehr darauf an, was für jeden nach seiner Empfindungsart      
  28 wahres Bedürfniß sein werde, welches zu bestimmen jedem selbst überlassen      
  29 bleiben muß. Denn mit Aufopferung seiner eigenen Glückseligkeit      
  30 (seiner wahren Bedürfnisse) Anderer ihre zu befördern, würde eine an sich      
  31 selbst widerstreitende Maxime sein, wenn man sie zum allgemeinen Gesetz      
  32 machte. Also ist diese Pflicht nur eine weite; sie hat einen Spielraum,      
  33 mehr oder weniger hierin zu thun, ohne daß sich die Gränzen davon bestimmt      
  34 angeben lassen. - Das Gesetz gilt nur für die Maximen, nicht für      
  35 bestimmte Handlungen.      
           
           
     

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