Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 389

     
           
 

Zeile:

 

Text (Kant):

 

 

 

 
  01 wie denn das formale Princip der Pflicht im kategorischen Imperativ:      
  02 "Handle so, daß die Maxime deiner Handlung ein allgemeines Gesetz      
  03 werden könne" es schon anzeigt; nur daß in der Ethik dieses als das      
  04 Gesetz deines eigenen Willens gedacht wird, nicht des Willens überhaupt,      
  05 der auch der Wille Anderer sein könnte: wo es alsdann eine Rechtspflicht      
  06 abgeben würde, die nicht in das Feld der Ethik gehört. - Die      
  07 Maximen werden hier als solche subjective Grundsätze angesehen, die sich      
  08 zu einer allgemeinen Gesetzgebung blos qualificiren; welches nur ein      
  09 negatives Princip (einem Gesetz überhaupt nicht zu widerstreiten) ist.      
  10 Wie kann es aber dann noch ein Gesetz für die Maxime der Handlungen      
  11 geben?      
           
  12 Der Begriff eines Zwecks, der zugleich Pflicht ist, welcher der Ethik      
  13 eigenthümlich zugehört, ist es allein, der ein Gesetz für die Maximen der      
  14 Handlungen begründet, indem der subjective Zweck (den jedermann hat)      
  15 dem objectiven (den sich jedermann dazu machen soll) untergeordnet wird.      
  16 Der Imperativ: "Du sollst dir Dieses oder Jenes (z. B. die Glückseligkeit      
  17 Anderer) zum Zweck machen" geht auf die Materie der Willkür (ein Object).      
  18 Da nun keine freie Handlung möglich ist, ohne daß der Handelnde      
  19 hiebei zugleich einen Zweck (als Materie der Willkür) beabsichtigte, so      
  20 muß, wenn es einen Zweck giebt, der zugleich Pflicht ist, die Maxime der      
  21 Handlungen als Mittel zu Zwecken nur die Bedingung der Qualification      
  22 zu einer möglichen allgemeinen Gesetzgebung enthalten; wogegen der      
  23 Zweck, der zugleich Pflicht ist, es zu einem Gesetz machen kann eine solche      
  24 Maxime zu haben, indessen daß für die Maxime selbst die bloße Möglichkeit      
  25 zu einer allgemeinen Gesetzgebung zusammen zu stimmen schon genug      
  26 ist.      
           
  27 Denn Maximen der Handlungen können willkürlich sein und stehen      
  28 nur unter der einschränkenden Bedingung der Habilität zu einer allgemeinen      
  29 Gesetzgebung, als formalem Princip der Handlungen. Ein Gesetz      
  30 aber hebt das Willkürliche der Handlungen auf und ist darin von aller      
  31 Anpreisung (da blos die schicklichsten Mittel zu einem Zwecke zu wissen      
  32 verlangt werden) unterschieden.      
           
           
     

[ Seite 388 ] [ Seite 390 ] [ Inhaltsverzeichnis ]