Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 379 |
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| 03 | Ethik bedeutete in den alten Zeiten die Sittenlehre ( philosophia | ||||||
| 04 | moralis ) überhaupt, welche man auch die Lehre von den Pflichten benannte. | ||||||
| 05 | In der Folge hat man es rathsam gefunden, diesen Namen auf | ||||||
| 06 | einen Theil der Sittenlehre, nämlich auf die Lehre von den Pflichten, die | ||||||
| 07 | nicht unter äußeren Gesetzen stehen, allein zu übertragen (dem man im | ||||||
| 08 | Deutschen den Namen Tugendlehre angemessen gefunden hat): so daß | ||||||
| 09 | jetzt das System der allgemeinen Pflichtenlehre in das der Rechtslehre | ||||||
| 10 | ( ius ), welche äußerer Gesetze fähig ist, und der Tugendlehre ( Ethica ) | ||||||
| 11 | eingetheilt wird, die deren nicht fähig ist; wobei es denn auch sein Bewenden | ||||||
| 12 | haben mag. | ||||||
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| 15 | Der Pflichtbegriff ist an sich schon der Begriff von einer Nöthigung | ||||||
| 16 | (Zwang) der freien Willkür durchs Gesetz; dieser Zwang mag nun | ||||||
| 17 | ein äußerer oder ein Selbstzwang sein. Der moralische Imperativ | ||||||
| 18 | verkündigt durch seinen kategorischen Ausspruch (das unbedingte Sollen) | ||||||
| 19 | diesen Zwang, der also nicht auf vernünftige Wesen überhaupt (deren es | ||||||
| 20 | etwa auch heilige geben könnte), sondern auf Menschen als vernünftige | ||||||
| 21 | Naturwesen geht, die dazu unheilig genug sind, daß sie die Lust wohl | ||||||
| 22 | anwandeln kann das moralische Gesetz, ob sie gleich dessen Ansehen selbst | ||||||
| 23 | anerkennen, doch zu übertreten und, selbst wenn sie es befolgen, es dennoch | ||||||
| 24 | ungern (mit Widerstand ihrer Neigung) zu thun, als worin der Zwang | ||||||
| 25 | eigentlich besteht*). - Da aber der Mensch doch ein freies (moralisches) | ||||||
| *) Der Mensch aber findet sich doch als moralisches Wesen zugleich (wenn er sich objectiv, wozu er durch seine reine praktische Vernunft bestimmt ist, (nach der Menschheit | |||||||
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