Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 361 |
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| 01 | nicht als bestellte und specifisch bestimmte Arbeit aufgetragen wird: anstatt | ||||||
| 02 | daß der zur bestimmten Arbeit Gedungene (Handwerker oder Tagelöhner) | ||||||
| 03 | sich nicht zu dem Seinen des Anderen hingiebt und so auch kein | ||||||
| 04 | Hausgenosse ist. - Des letzteren, weil er nicht im rechtlichen Besitz des | ||||||
| 05 | Anderen ist, der ihn zu gewissen Leistungen verpflichtet, kann der Hausherr, | ||||||
| 06 | wenn jener auch sein häuslicher Einwohner ( inquilinus ) wäre, sich | ||||||
| 07 | nicht ( via facti ) als einer Sache bemächtigen, sondern muß nach dem | ||||||
| 08 | persönlichen Recht auf die Leistung des Versprochenen dringen, welche ihm | ||||||
| 09 | durch Rechtsmittel ( via iuris ) zu Gebote stehen. - - So viel zur Erläuterung | ||||||
| 10 | und Vertheidigung eines befremdlichen, neu hinzukommenden | ||||||
| 11 | Rechtstitels in der natürlichen Gesetzlehre, der doch stillschweigend immer | ||||||
| 12 | im Gebrauch gewesen ist. | ||||||
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| 16 | Ferner ist mir als Heterodoxie im natürlichen Privatrechte auch der | ||||||
| 17 | Satz: Kauf bricht Miethe (Rechtslehre § 31. S. 129) zur Rüge | ||||||
| 18 | aufgestellt worden. | ||||||
| 19 | Daß jemand die Miethe seines Hauses vor Ablauf der bedungenen | ||||||
| 20 | Zeit der Einwohnung dem Miether aufkündigen und also gegen diesen, | ||||||
| 21 | wie es scheint, sein Versprechen brechen könne, wenn er es nur zur gewöhnlichen | ||||||
| 22 | Zeit des Verziehens in der dazu gewohnten bürgerlich=gesetzlichen | ||||||
| 23 | Frist thut, scheint freilich beim ersten Anblick allen Rechten aus | ||||||
| 24 | einem Vertrage zu widerstreiten. - Wenn aber bewiesen werden kann, | ||||||
| 25 | daß der Miether, da er seinen Miethscontract machte, wußte oder wissen | ||||||
| 26 | mußte, daß das ihm gethane Versprechen des Vermiethers als Eigenthümers | ||||||
| 27 | natürlicherweise (ohne daß es im Contract ausdrücklich gesagt | ||||||
| 28 | werden durfte), also stillschweigend, an die Bedingung geknüpft war: wofern | ||||||
| 29 | dieser sein Haus binnen dieser Zeit nicht verkaufen sollte | ||||||
| 30 | (oder es bei einem etwa über ihn eintretenden Concurs seinen Gläubigern | ||||||
| 31 | überlassen müßte): so hat dieser sein schon an sich der Vernunft nach bedingtes | ||||||
| 32 | Versprechen nicht gebrochen, und der Miether ist durch die ihm | ||||||
| 33 | vor der Miethszeit geschehene Aufkündigung an seinem Rechte nicht verkürzt | ||||||
| 34 | worden. | ||||||
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