Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 360 |
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Text (Kant):
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| 01 | von öfteren Ansprüchen des Weibes an das Geschlechtsvermögen des | ||||||
| 02 | Mannes herrührende Erschöpfungen aufgezehrt wird, ist bloß in der | ||||||
| 03 | Manier zu genießen unterschieden, und ein Theil ist in Ansehung des | ||||||
| 04 | anderen bei diesem wechselseitigen Gebrauche der Geschlechtsorganen wirklich | ||||||
| 05 | eine verbrauchbare Sache ( res fungibilis ), zu welcher also sich vermittelst | ||||||
| 06 | eines Vertrags zu machen, es ein gesetzwidriger Vertrag ( pactum | ||||||
| 07 | turpe ) sein würde. | ||||||
| 08 | Eben so kann der Mann mit dem Weibe kein Kind, als ihr beiderseitiges | ||||||
| 09 | Machwerk ( res artificialis ), zeugen, ohne daß beide Theile sich | ||||||
| 10 | gegen dieses und gegen einander die Verbindlichkeit zuziehen es zu erhalten: | ||||||
| 11 | welches doch auch die Erwerbung eines Menschen gleich als einer | ||||||
| 12 | Sache, aber nur der Form nach (einem bloß auf dingliche Art persönlichen | ||||||
| 13 | Rechte angemessen) ist. Die Eltern*) haben ein Recht gegen jeden | ||||||
| 14 | Besitzer des Kindes, das aus ihrer Gewalt gebracht worden, ( ius in re ) | ||||||
| 15 | und zugleich ein Recht, es zu allen Leistungen und aller Befolgung ihrer | ||||||
| 16 | Befehle zu nöthigen, die einer möglichen gesetzlichen Freiheit nicht zuwider | ||||||
| 17 | sind ( ius ad rem ): folglich auch ein persönliches Recht gegen dasselbe. | ||||||
| 18 | Endlich, wenn bei eintretender Volljährigkeit die Pflicht der Eltern | ||||||
| 19 | zur Erhaltung ihrer Kinder aufhört, so haben jene noch das Recht, diese | ||||||
| 20 | als ihren Befehlen unterworfene Hausgenossen zu Erhaltung des Hauswesens | ||||||
| 21 | zu brauchen, bis zur Entlassung derselben; welches eine Pflicht der | ||||||
| 22 | Eltern gegen diese ist, die aus der natürlichen Beschränkung des Rechts | ||||||
| 23 | der ersteren folgt. Bis dahin sind sie zwar Hausgenossen und gehören | ||||||
| 24 | zur Familie, aber von nun an gehören sie zur Dienerschaft ( famulatus ) | ||||||
| 25 | in derselben, die folglich nicht anders als durch Vertrag zu dem | ||||||
| 26 | Seinen des Hausherrn (als seine Domestiken) hinzu kommen können. | ||||||
| 27 | Eben so kann auch eine Dienerschaft außer der Familie zu dem Seinen | ||||||
| 28 | des Hausherren nach einem auf dingliche Art persönlichen Rechte gemacht | ||||||
| 29 | und als Gesinde ( famulatus domesticus ) durch Vertrag erworben werden. | ||||||
| 30 | Ein solcher Vertrag ist nicht der einer bloßen Verdingung ( locatio conductio | ||||||
| 31 | operae ), sondern der Hingebung seiner Person in den Besitz des | ||||||
| 32 | Hausherrn, Vermiethung ( locatio conductio personae ), welche darin | ||||||
| 33 | von jener Verdingung unterschieden ist, daß das Gesinde sich zu allem | ||||||
| 34 | Erlaubten versteht, was das Wohl des Hauswesens betrifft und ihm | ||||||
| *) in deutscher Schreibart werden unter dem Wort Ältern Seniores , unter den Eltern aber Parentes verstanden; welches im Sprachlaut nicht zu unterscheiden, dem Sinne nach aber sehr unterschieden ist. | |||||||
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