Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 346 |
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| 01 | freie Beistimmung geben muß, unter welcher einschränkenden Bedingung | ||||||
| 02 | allein der Staat über seinen gefahrvollen Dienst disponiren kann. | ||||||
| 03 | Wir werden also wohl dieses Recht von der Pflicht des Souveräns | ||||||
| 04 | gegen das Volk (nicht umgekehrt) abzuleiten haben; wobei dieses dafür | ||||||
| 05 | angesehen werden muß, daß es seine Stimme dazu gegeben habe, in | ||||||
| 06 | welcher Qualität es, obzwar passiv (mit sich machen läßt), doch auch selbstthätig | ||||||
| 07 | ist und den Souverän selbst vorstellt. | ||||||
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| 09 | Im natürlichen Zustande der Staaten ist das Recht zum Kriege | ||||||
| 10 | (zu Hostilitäten) die erlaubte Art, wodurch ein Staat sein Recht gegen | ||||||
| 11 | einen anderen Staat verfolgt, nämlich, wenn er von diesem sich lädirt | ||||||
| 12 | glaubt, durch eigene Gewalt: weil es durch einen Proceß (als durch den | ||||||
| 13 | allein die Zwistigkeiten im rechtlichen Zustande ausgeglichen werden) in | ||||||
| 14 | jenem Zustande nicht geschehen kann. - Außer der thätigen Verletzung | ||||||
| 15 | (der ersten Aggression, welche von der ersten Hostilität unterschieden ist) | ||||||
| 16 | ist es die Bedrohung. Hiezu gehört entweder eine zuerst vorgenommene | ||||||
| 17 | Zurüstung, worauf sich das Recht des Zuvorkommens ( ius praeventionis ) | ||||||
| 18 | gründet, oder auch bloß die fürchterlich (durch Ländererwerbung) | ||||||
| 19 | anwachsende Macht ( potentia tremenda ) eines anderen Staats. Diese | ||||||
| 20 | ist eine Läsion des Mindermächtigen bloß durch den Zustand vor aller | ||||||
| 21 | That des Übermächtigen, und im Naturzustande ist dieser Angriff | ||||||
| 22 | allerdings rechtmäßig. Hierauf gründet sich also das Recht des Gleichgewichts | ||||||
| 23 | aller einander thätig berührenden Staaten. | ||||||
| 24 | Was die thätige Verletzung betrifft, die ein Recht zum Kriege | ||||||
| 25 | giebt, so gehört dazu die selbstgenommene Genugthuung für die Beleidigung | ||||||
| 26 | des einen Volks durch das Volk des anderen Staats, die Wiedervergeltung | ||||||
| 27 | ( retorsio ), ohne eine Erstattung (durch friedliche Wege) bei | ||||||
| 28 | dem anderen Staate zu suchen, womit der Förmlichkeit nach der Ausbruch | ||||||
| 29 | des Krieges ohne vorhergehende Aufkündigung des Friedens (Kriegsankündigung) | ||||||
| 30 | eine Ähnlichkeit hat: weil, wenn man einmal ein Recht | ||||||
| 31 | im Kriegszustande finden will, etwas Analogisches mit einem Vertrag angenommen | ||||||
| 32 | werden muß, nämlich Annahme der Erklärung des anderen | ||||||
| 33 | Theils, daß beide ihr Recht auf diese Art suchen wollen. | ||||||
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