Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 344 |
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01 | einzelne des anderen, imgleichen gegen den ganzen anderen Staat selbst | ||||||
02 | in Betrachtung kommt; welcher Unterschied aber vom Recht Einzelner im | ||||||
03 | bloßen Naturzustande nur solcher Bestimmungen bedarf, die sich aus dem | ||||||
04 | Begriffe des letzteren leicht folgern lassen. | ||||||
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06 | Die Elemente des Völkerrechts sind: 1) daß Staaten, im äußeren | ||||||
07 | Verhältniß gegen einander betrachtet, (wie gesetzlose Wilde) von Natur in | ||||||
08 | einem nicht=rechtlichen Zustande sind; 2) daß dieser Zustand ein Zustand | ||||||
09 | des Krieges (des Rechts des Stärkeren), wenn gleich nicht wirklicher Krieg | ||||||
10 | und immerwährende wirkliche Befehdung (Hostilität) ist, welche (indem | ||||||
11 | sie es beide nicht besser haben wollen), obzwar dadurch keinem von dem | ||||||
12 | Anderen unrecht geschieht, doch an sich selbst im höchsten Grade unrecht | ||||||
13 | ist, und aus welchem die Staaten, welche einander benachbart sind, auszugehen | ||||||
14 | verbunden sind; 3) daß ein Völkerbund nach der Idee eines ursprünglichen | ||||||
15 | gesellschaftlichen Vertrages nothwendig ist, sich zwar einander | ||||||
16 | nicht in die einheimische Mißhelligkeiten derselben zu mischen, aber | ||||||
17 | doch gegen Angriffe der äußeren zu schützen; 4) daß die Verbindung doch | ||||||
18 | keine souveräne Gewalt (wie in einer bürgerlichen Verfassung), sondern | ||||||
19 | nur eine Genossenschaft (Föderalität) enthalten müsse; eine Verbündung, | ||||||
20 | die zu aller Zeit aufgekündigt werden kann, mithin von Zeit zu Zeit | ||||||
21 | erneuert werden muß, - ein Recht in subsidium eines anderen und ursprünglichen | ||||||
22 | Rechts, den Verfall in den Zustand des wirklichen Krieges | ||||||
23 | derselben untereinander von sich abzuwehren ( foedus Amphictyonum ). | ||||||
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25 | Bei jenem ursprünglichen Rechte zum Kriege freier Staaten gegen | ||||||
26 | einander im Naturzustande (um etwa einen dem rechtlichen sich annähernden | ||||||
27 | Zustand zu stiften) erhebt sich zuerst die Frage: welches Recht | ||||||
28 | hat der Staat gegen seine eigene Unterthanen sie zum Kriege gegen | ||||||
29 | andere Staaten zu brauchen, ihre Güter, ja ihr Leben dabei aufzuwenden, | ||||||
30 | oder aufs Spiel zu setzen: so daß es nicht von dieser ihrem eigenen Urtheil | ||||||
31 | abhängt, ob sie in den Krieg ziehen wollen oder nicht, sondern der Oberbefehl | ||||||
32 | des Souveräns sie hineinschicken darf? | ||||||
33 | Dieses Recht scheint sich leicht darthun zu lassen; nämlich aus dem | ||||||
34 | Rechte mit dem Seinen (Eigenthum) zu thun, was man will. Was jemand | ||||||
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