Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 329

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 männlichen Nachkommen anerbt, durch diese auch wohl den weiblichen unadlicher      
  02 Geburt, nur so, daß die adlich Geborne ihrem unadlichen Ehemann      
  03 nicht umgekehrt diesen Rang mittheilt, sondern selbst in den bloß      
  04 bürgerlichen (des Volks) zurückfällt. - Die Frage ist nun: ob der Souverän      
  05 einen Adelstand, als einen erblichen Mittelstand zwischen ihm      
  06 und den übrigen Staatsbürgern, zu gründen berechtigt sei. In dieser      
  07 Frage kommt es nicht darauf an: ob es der Klugheit des Souveräns wegen      
  08 seines oder des Volks Vortheils, sondern nur, ob es dem Rechte des Volks      
  09 gemäß sei, einen Stand von Personen über sich zu haben, die zwar selbst      
  10 Unterthanen, aber doch in Ansehung des Volks geborne Befehlshaber      
  11 (wenigstens privilegirte) sind. - - Die Beantwortung derselben geht      
  12 nun hier eben so wie vorher aus dem Princip hervor: "Was das Volk (die      
  13 ganze Masse der Unterthanen) nicht über sich selbst und seine Genossen beschließen      
  14 kann, das kann auch der Souverän nicht über das Volk beschließen."      
  15 Nun ist ein angeerbter Adel ein Rang, der vor dem Verdienst      
  16 vorher geht und dieses auch mit keinem Grunde hoffen läßt, ein      
  17 Gedankending ohne alle Realität. Denn wenn der Vorfahr Verdienst      
  18 hatte, so konnte er dieses doch nicht auf seine Nachkommen vererben,      
  19 sondern diese mußten es sich immer selbst erwerben, da die Natur es nicht      
  20 so fügt, daß das Talent und der Wille, welche Verdienste um den Staat      
  21 möglich machen, auch anarten. Weil nun von keinem Menschen angenommen      
  22 werden kann, er werde seine Freiheit wegwerfen, so ist es unmöglich,      
  23 daß der allgemeine Volkswille zu einem solchen grundlosen      
  24 Prärogativ zusammenstimme, mithin kann der Souverän es auch nicht geltend      
  25 machen. - - Wenn indessen gleich eine solche Anomalie in das      
  26 Maschinenwesen einer Regierung von alten Zeiten (des Lehnswesens,      
  27 das fast gänzlich auf den Krieg angelegt war) eingeschlichen, von Unterthanen,      
  28 die mehr als Staatsbürger, nämlich geborne Beamte (wie etwa      
  29 ein Erbprofessor), sein wollen, so kann der Staat diesen von ihm begangenen      
  30 Fehler eines widerrechtlich ertheilten erblichen Vorzugs nicht      
  31 anders, als durch Eingehen und Nichtbesetzung der Stellen allmählich      
  32 wiederum gut machen, und so hat er provisorisch ein Recht, diese Würde      
  33 dem Titel nach fortdauern zu lassen, bis selbst in der öffentlichen Meinung      
  34 die Eintheilung in Souverän, Adel und Volk der einzigen natürlichen      
  35 in Souverän und Volk Platz gemacht haben wird.      
           
  36 Ohne alle Würde kann nun wohl kein Mensch im Staate sein, denn er      
  37 hat wenigstens die des Staatsbürgers; außer wenn er sich durch sein eigenes      
           
     

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