Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 282 |
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01 | Aus dieser Persönlichkeit der erstern folgt nun auch, daß, da die | ||||||
02 | Kinder nie als Eigenthum der Eltern angesehen werden können, aber doch | ||||||
03 | zum Mein und Dein derselben gehören (weil sie gleich den Sachen im | ||||||
04 | Besitz der Eltern sind und aus jedes Anderen Besitz, selbst wider ihren | ||||||
05 | Willen, in diesen zurückgebracht werden können), das Recht der ersteren | ||||||
06 | kein bloßes Sachenrecht, mithin nicht veräußerlich ( ius personalissimum ), | ||||||
07 | aber auch nicht ein bloß persönliches, sondern ein auf dingliche Art | ||||||
08 | persönliches Recht ist. | ||||||
09 | Hiebei fällt also in die Augen, daß der Titel eines auf dingliche | ||||||
10 | Art persönlichen Rechts in der Rechtslehre noch über dem des Sachen | ||||||
11 | und persönlichen Rechts nothwendig hinzukommen müsse, jene bisherige | ||||||
12 | Eintheilung also nicht vollständig gewesen ist, weil, wenn von dem Recht | ||||||
13 | der Eltern an den Kindern als einem Stück ihres Hauses die Rede ist, | ||||||
14 | jene sich nicht bloß auf die Pflicht der Kinder berufen dürfen, zurückzukehren, | ||||||
15 | wenn sie entlaufen sind, sondern sich ihrer als Sachen (verlaufener | ||||||
16 | Hausthiere) zu bemächtigen und sie einzufangen berechtigt sind. | ||||||
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21 | Die Kinder des Hauses, die mit den Eltern zusammen eine Familie | ||||||
22 | ausmachten, werden auch ohne allen Vertrag der Aufkündigung ihrer bisherigen | ||||||
23 | Abhängigkeit, durch die bloße Gelangung zu dem Vermögen ihrer | ||||||
24 | Selbsterhaltung (so wie es theils als natürliche Volljährigkeit dem allgemeinen | ||||||
25 | Laufe der Natur überhaupt, theils ihrer besonderen Naturbeschaffenheit | ||||||
26 | gemäß eintritt), mündig ( maiorennes ), d. i. ihre eigene | ||||||
27 | Herren ( sui iuris ), und erwerben dieses Recht ohne besonderen rechtlichen | ||||||
28 | Act, mithin bloß durchs Gesetz ( lege ) - sind den Eltern für ihre Erziehung | ||||||
29 | nichts schuldig, so wie gegenseitig die letzteren ihrer Verbindlichkeit | ||||||
30 | gegen diese auf ebendieselbe Art loswerden, hiemit beide ihre natürliche | ||||||
31 | Freiheit gewinnen oder wieder gewinnen - die häusliche Gesellschaft | ||||||
32 | aber, welche nach dem Gesetz nothwendig war, nunmehr aufgelöset wird. | ||||||
33 | Beide Theile können nun wirklich ebendasselbe Hauswesen, aber in | ||||||
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