Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 273 |
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01 | folgen: weil jenes Verhältniß (als ein rechtliches) rein intellectuell | ||||||
02 | ist, durch den Willen als ein gesetzgebendes Vernunftvermögen jener | ||||||
03 | Besitz als ein intelligibeler ( possessio noumenon ) nach Freiheitsbegriffen | ||||||
04 | mit Abstraction von jenen empirischen Bedingungen als das Mein oder | ||||||
05 | Dein vorgestellt; wo beide Acte, des Versprechens und der Annehmung, | ||||||
06 | nicht als aufeinander folgend, sondern (gleich als pactum re initum ) aus | ||||||
07 | einem einzigen gemeinsamen Willen hervorgehend (welches durch das | ||||||
08 | Wort zugleich ausgedrückt wird) und der Gegenstand ( promissum ) durch | ||||||
09 | Weglassung der empirischen Bedingungen nach dem Gesetz der reinen | ||||||
10 | praktischen Vernunft als erworben vorgestellt wird. | ||||||
11 | Daß dieses die wahre und einzig mögliche Deduction des Begriffs | ||||||
12 | der Erwerbung durch Vertrag sei, wird durch die mühselige und doch | ||||||
13 | immer vergebliche Bestrebung der Rechtsforscher (z. B. Moses Mendelssohns | ||||||
14 | in seinem "Jerusalem") zur Beweisführung jener Möglichkeit | ||||||
15 | hinreichend bestätigt. - Die Frage war: warum soll ich mein | ||||||
16 | Versprechen halten? Denn daß ich es soll, begreift ein jeder von | ||||||
17 | selbst. Es ist aber schlechterdings unmöglich, von diesem kategorischen | ||||||
18 | Imperativ noch einen Beweis zu führen; eben so wie es für den | ||||||
19 | Geometer unmöglich ist, durch Vernunftschlüsse zu beweisen, daß ich, | ||||||
20 | um ein Dreieck zu machen, drei Linien nehmen müsse (ein analytischer | ||||||
21 | Satz), deren zwei aber zusammengenommen größer sein müssen, | ||||||
22 | als die dritte (ein synthetischer; beide aber a priori). Es ist ein Postulat | ||||||
23 | der reinen (von allen sinnlichen Bedingungen des Raumes | ||||||
24 | und der Zeit, was den Rechtsbegriff betrifft, abstrahirenden) Vernunft, | ||||||
25 | und die Lehre der Möglichkeit der Abstraction von jenen Bedingungen, | ||||||
26 | ohne daß dadurch der Besitz desselben aufgehoben wird, | ||||||
27 | ist selbst die Deduction des Begriffs der Erwerbung durch Vertrag; | ||||||
28 | so wie es in dem vorigen Titel die Lehre von der Erwerbung durch | ||||||
29 | Bemächtigung der äußeren Sache war. | ||||||
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31 | Was ist aber das Äußere, das ich durch den Vertrag erwerbe? Da | ||||||
32 | es nur die Causalität der Willkür des Anderen in Ansehung einer mir | ||||||
33 | versprochenen Leistung ist, so erwerbe ich dadurch unmittelbar nicht eine | ||||||
34 | äußere Sache, sondern eine That desselben, dadurch jene Sache in meine | ||||||
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