Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 269 |
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Text (Kant):
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| 01 | dem Eigenthum der Substanz gefolgert werden müsse, und daß der, | ||||||
| 02 | welcher an einen Boden, der nicht schon vorher der seine war, Flei | ||||||
| 03 | verwendet, seine Mühe und Arbeit gegen den Ersteren verloren hat, | ||||||
| 04 | ist für sich selbst so klar, daß man jene so alte und noch weit und | ||||||
| 05 | breit herrschende Meinung schwerlich einer anderen Ursache zuschreiben | ||||||
| 06 | kann, als der ingeheim obwaltenden Täuschung, Sachen zu personificiren | ||||||
| 07 | und, gleich als ob jemand sie sich durch an sie verwandte Arbeit | ||||||
| 08 | verbindlich machen könne, keinem Anderen als ihm zu Diensten | ||||||
| 09 | zu stehen, unmittelbar gegen sie sich ein Recht zu denken; denn | ||||||
| 10 | wahrscheinlicherweise würde man auch nicht so leichten Fußes über | ||||||
| 11 | die natürliche Frage (von der oben schon Erwähnung geschehen) | ||||||
| 12 | weggeglitten sein: "Wie ist ein Recht in einer Sache möglich?" | ||||||
| 13 | Denn das Recht gegen einen jeden Besitzer einer Sache bedeutet nur | ||||||
| 14 | die Befugniß der besonderen Willkür zum Gebrauch eines Objects, so | ||||||
| 15 | fern sie als im synthetisch=allgemeinen Willen enthalten und mit dem | ||||||
| 16 | Gesetz desselben zusammenstimmend gedacht werden kann. | ||||||
| 17 | Was die Körper auf einem Boden betrifft, der schon der meinige | ||||||
| 18 | ist, so gehören sie, wenn sie sonst keines Anderen sind, mir zu, ohne | ||||||
| 19 | daß ich zu diesem Zweck eines besonderen rechtlichen Acts bedürfte | ||||||
| 20 | (nicht facto , sondern lege ); nämlich weil sie als der Substanz inhärirende | ||||||
| 21 | Accidenzen betrachtet werden können ( iure rei meae ), wozu | ||||||
| 22 | auch Alles gehört, was mit meiner Sache so verbunden ist, daß ein | ||||||
| 23 | Anderer sie von dem Meinen nicht trennen kann, ohne dieses selbst | ||||||
| 24 | zu verändern (z. B. Vergoldung, Mischung eines mir zugehörigen | ||||||
| 25 | Stoffes mit andern Materien, Anspülung oder auch Veränderung | ||||||
| 26 | des anstoßenden Strombettes und dadurch geschehende Erweiterung | ||||||
| 27 | meines Bodens u. s. w.). Ob aber der erwerbliche Boden sich noch | ||||||
| 28 | weiter als das Land, nämlich auch auf eine Strecke des Seegrundes | ||||||
| 29 | hinaus (das Recht, noch an meinen Ufern zu fischen, oder Bernstein | ||||||
| 30 | herauszubringen u. dergl.), ausdehnen lasse, muß nach ebendenselben | ||||||
| 31 | Grundsätzen beurtheilt werden. So weit ich aus meinem | ||||||
| 32 | Sitze mechanisches Vermögen habe, meinen Boden gegen den Eingriff | ||||||
| 33 | anderer zu sichern (z. B. so weit die Kanonen vom Ufer abreichen), | ||||||
| 34 | gehört er zu meinem Besitz, und das Meer ist bis dahin | ||||||
| 35 | geschlossen ( mare clausum ). Da aber auf dem weiten Meere selbst | ||||||
| 36 | kein Sitz möglich ist, so kann der Besitz auch nicht bis dahin ausgedehnt | ||||||
| 37 | werden, und offene See ist frei ( mare liberum ). Das | ||||||
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