Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 268

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01
§ 17.
     
  02
Deduction des Begriffs der ursprünglichen Erwerbung.
     
           
  03 Wir haben den Titel der Erwerbung in einer ursprünglichen Gemeinschaft      
  04 des Bodens, mithin unter Raums=Bedingungen eines äußeren      
  05 Besitzes, die Erwerbungsart aber in den empirischen Bedingungen      
  06 der Besitznehmung ( apprehensio ), verbunden mit dem Willen, den äußeren      
  07 Gegenstand als den seinen zu haben, gefunden. Nun ist noch nöthig die      
  08 Erwerbung selbst, d. i. das äußere Mein und Dein, was aus beiden      
  09 gegebenen Stücken folgt, nämlich den intelligibelen Besitz ( possessio noumenon )      
  10 des Gegenstandes, nach dem, was sein Begriff enthält, aus den      
  11 Principien der reinen rechtlich=praktischen Vernunft zu entwickeln.      
           
  12 Der Rechtsbegriff vom äußeren Mein und Dein, so fern es      
  13 Substanz ist, kann, was das Wort außer mir betrifft, nicht einen anderen      
  14 Ort, als wo ich bin, bedeuten: denn er ist ein Vernunftbegriff;      
  15 sondern, da unter diesem nur ein reiner Verstandesbegriff subsumirt werden      
  16 kann, bloß etwas von mir Unterschiedenes und den eines nicht empirischen      
  17 Besitzes (der gleichsam fortdauernden Apprehension), sondern nur      
  18 den des in meiner Gewalt Habens (die Verknüpfung desselben mit      
  19 mir als subjective Bedingung der Möglichkeit des Gebrauchs) des äußeren      
  20 Gegenstandes, welcher ein reiner Verstandesbegriff ist, bedeuten. Nun ist      
  21 die Weglassung oder das Absehen (Abstraction) von diesen sinnlichen      
  22 Bedingungen des Besitzes als eines Verhältnisses der Person zu Gegenständen,      
  23 die keine Verbindlichkeit haben, nichts anders als das Verhältniß      
  24 einer Person zu Personen, diese alle durch den Willen der ersteren,      
  25 so fern er dem Axiom der äußeren Freiheit, dem Postulat des Vermögens      
  26 und der allgemeinen Gesetzgebung des a priori als vereinigt gedachten      
  27 Willens gemäß ist, in Ansehung des Gebrauchs der Sachen zu verbinden,      
  28 welches also der intelligibele Besitz derselben, d. i. der durchs      
  29 bloße Recht, ist, obgleich der Gegenstand (die Sache, die ich besitze) ein      
  30 Sinnenobject ist.      
           
  31 Daß die erste Bearbeitung, Begränzung, oder überhaupt Formgebung      
  32 eines Bodens keinen Titel der Erwerbung desselben, d. i.      
  33 der Besitz des Accidens nicht einen Grund des rechtlichen Besitzes der      
  34 Substanz abgeben könne, sondern vielmehr umgekehrt das Mein und      
  35 Dein nach der Regel ( accessorium sequitur suum principale ) aus      
           
     

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