Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 263 |
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| 04 | Die Besitznehmung ( apprehensio ), als der Anfang der Inhabung | ||||||
| 05 | einer körperlichen Sache im Raume ( possessionis physicae ), stimmt unter | ||||||
| 06 | keiner anderen Bedingung mit dem Gesetz der äußeren Freiheit von jedermann | ||||||
| 07 | (mithin a priori) zusammen, als unter der der Priorität in Ansehung | ||||||
| 08 | der Zeit, d. i. nur als erste Besitznehmung ( prior apprehensio ), | ||||||
| 09 | welche ein Act der Willkür ist. Der Wille aber, die Sache (mithin auch | ||||||
| 10 | ein bestimmter abgetheilter Platz auf Erden) solle mein sein, d. i. die | ||||||
| 11 | Zueignung ( appropriatio ), kann in einer ursprünglichen Erwerbung nicht | ||||||
| 12 | anders als einseitig ( voluntas unilateralis s. propria ) sein. Die Erwerbung | ||||||
| 13 | eines äußeren Gegenstandes der Willkür durch einseitigen Willen | ||||||
| 14 | ist die Bemächtigung. Also kann die ursprüngliche Erwerbung desselben, | ||||||
| 15 | mithin auch eines abgemessenen Bodens nur durch Bemächtigung ( occupatio ) | ||||||
| 16 | geschehen. | ||||||
| 17 | Die Möglichkeit auf solche Art zu erwerben läßt sich auf keine Weise | ||||||
| 18 | einsehen, noch durch Gründe darthun, sondern ist die unmittelbare Folge | ||||||
| 19 | aus dem Postulat der praktischen Vernunft. Derselbe Wille aber kann | ||||||
| 20 | doch eine äußere Erwerbung nicht anders berechtigen, als nur so fern er | ||||||
| 21 | in einem a priori vereinigten (d. i. durch die Vereinigung der Willkür | ||||||
| 22 | Aller, die in ein praktisches Verhältniß gegen einander kommen können) | ||||||
| 23 | absolut gebietenden Willen enthalten ist; denn der einseitige Wille (wozu | ||||||
| 24 | auch der doppelseitige, aber doch besondere Wille gehört) kann nicht | ||||||
| 25 | jedermann eine Verbindlichkeit auflegen, die an sich zufällig ist, sondern | ||||||
| 26 | dazu wird ein allseitiger, nicht zufällig, sondern a priori, mithin nothwendig | ||||||
| 27 | vereinigter und darum allein gesetzgebender Wille erfordert; denn | ||||||
| 28 | nur nach dieses seinem Princip ist Übereinstimmung der freien Willkür | ||||||
| 29 | eines jeden mit der Freiheit von jedermann, mithin ein Recht überhaupt, | ||||||
| 30 | und also auch ein äußeres Mein und Dein möglich. | ||||||
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