Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 256 |
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| 01 | in Ansehung des Meinigen sich nach ebendemselben Princip verhalten; | ||||||
| 02 | welche Sicherstellung gar nicht eines besonderen rechtlichen Acts bedarf, | ||||||
| 03 | sondern schon im Begriffe einer äußeren rechtlichen Verpflichtung wegen | ||||||
| 04 | der Allgemeinheit, mithin auch der Reciprocität der Verbindlichkeit aus | ||||||
| 05 | einer allgemeinen Regel enthalten ist. - Nun kann der einseitige Wille | ||||||
| 06 | in Ansehung eines äußeren, mithin zufälligen Besitzes nicht zum Zwangsgesetz | ||||||
| 07 | für jedermann dienen, weil das der Freiheit nach allgemeinen Gesetzen | ||||||
| 08 | Abbruch thun würde. Also ist nur ein jeden anderen verbindender, | ||||||
| 09 | mithin collectiv allgemeiner (gemeinsamer) und machthabender Wille derjenige, | ||||||
| 10 | welcher jedermann jene Sicherheit leisten kann. - Der Zustand | ||||||
| 11 | aber unter einer allgemeinen äußeren (d. i. öffentlichen) mit Macht begleiteten | ||||||
| 12 | Gesetzgebung ist der bürgerliche. Also kann es nur im bürgerlichen | ||||||
| 13 | Zustande ein äußeres Mein und Dein geben. | ||||||
| 14 | Folgesatz: Wenn es rechtlich möglich sein muß, einen äußeren | ||||||
| 15 | Gegenstand als das Seine zu haben: so muß es auch dem Subject erlaubt | ||||||
| 16 | sein, jeden Anderen, mit dem es zum Streit des Mein und Dein über ein | ||||||
| 17 | solches Object kommt, zu nöthigen, mit ihm zusammen in eine bürgerliche | ||||||
| 18 | Verfassung zu treten. | ||||||
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| 22 | Das Naturrecht im Zustande einer bürgerlichen Verfassung (d. i. | ||||||
| 23 | dasjenige, was für die letztere aus Principien a priori abgeleitet werden | ||||||
| 24 | kann) kann durch die statutarischen Gesetze der letzteren nicht Abbruch | ||||||
| 25 | leiden, und so bleibt das rechtliche Princip in Kraft: "Der, welcher nach | ||||||
| 26 | einer Maxime verfährt, nach der es unmöglich wird, einen Gegenstand | ||||||
| 27 | meiner Willkür als das Meine zu haben, lädirt mich"; denn bürgerliche | ||||||
| 28 | Verfassung ist allein der rechtliche Zustand, durch welchen jedem das Seine | ||||||
| 29 | nur gesichert, eigentlich aber nicht ausgemacht und bestimmt wird. | ||||||
| 30 | Alle Garantie setzt also das Seine von jemanden (dem es gesichert wird) | ||||||
| 31 | schon voraus. Mithin muß vor der bürgerlichen Verfassung (oder von | ||||||
| 32 | ihr abgesehen) ein äußeres Mein und Dein als möglich angenommen | ||||||
| 33 | werden und zugleich ein Recht, jedermann, mit dem wir irgend auf eine | ||||||
| 34 | Art in Verkehr kommen könnten, zu nöthigen, mit uns in eine Verfassung | ||||||
| 35 | zusammen zu treten, worin jenes gesichert werden kann. - Ein Besitz in | ||||||
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