Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 254 |
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Text (Kant):
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| 01 | rechtliche Verbindung des Willens des Subjects mit jenem Gegenstande, | ||||||
| 02 | unabhängig von dem Verhältnisse zu demselben im Raum und in der | ||||||
| 03 | Zeit, nach dem Begriff eines intelligibelen Besitzes. - Ein Platz auf der | ||||||
| 04 | Erde ist nicht darum ein äußeres Meine, weil ich ihn mit meinem Leibe | ||||||
| 05 | einnehme (denn es betrifft hier nur meine äußere Freiheit, mithin nur | ||||||
| 06 | den Besitz meiner selbst, kein Ding außer mir, und ist also nur ein inneres | ||||||
| 07 | Recht); sondern wenn ich ihn noch besitze, ob ich mich gleich von ihm weg | ||||||
| 08 | und an einen andern Ort begeben habe, nur alsdann betrifft es mein | ||||||
| 09 | äußeres Recht, und derjenige, der die fortwährende Besetzung dieses | ||||||
| 10 | Platzes durch meine Person zur Bedingung machen wollte, ihn als das | ||||||
| 11 | Meine zu haben, muß entweder behaupten, es sei gar nicht möglich, etwas | ||||||
| 12 | Äußeres als das Seine zu haben (welches dem Postulat § 2 widerstreitet), | ||||||
| 13 | oder er verlangt, daß, um dieses zu können, ich in zwei Orten zugleich | ||||||
| 14 | sei; welches denn aber so viel sagt, als: ich solle an einem Orte sein und | ||||||
| 15 | auch nicht sein, wodurch er sich selbst widerspricht. | ||||||
| 16 | Dieses kann auch auf den Fall angewendet werden, da ich ein Versprechen | ||||||
| 17 | acceptirt habe; denn da wird meine Habe und Besitz an dem | ||||||
| 18 | Versprochenen dadurch nicht aufgehoben, daß der Versprechende zu einer | ||||||
| 19 | Zeit sagte: diese Sache soll Dein sein, eine Zeit hernach aber von ebenderselben | ||||||
| 20 | Sache sagt: ich will jetzt, die Sache solle nicht Dein sein. Denn | ||||||
| 21 | es hat mit solchen intellectuellen Verhältnissen die Bewandtniß, als ob | ||||||
| 22 | jener ohne eine Zeit zwischen beiden Declarationen seines Willens gesagt | ||||||
| 23 | hätte: sie soll Dein sein, und auch: sie soll nicht Dein sein, was sich dann | ||||||
| 24 | selbst widerspricht. | ||||||
| 25 | Ebendasselbe gilt auch von dem Begriffe des rechtlichen Besitzes einer | ||||||
| 26 | Person, als zu der Habe des Subjects gehörend (sein Weib, Kind, Knecht): | ||||||
| 27 | daß nämlich diese häusliche Gemeinschaft und der wechselseitige Besitz des | ||||||
| 28 | Zustandes aller Glieder derselben durch die Befugniß sich örtlich von | ||||||
| 29 | einander zu trennen nicht aufgehoben wird: weil es ein rechtliches Verhältniß | ||||||
| 30 | ist, was sie verknüpft, und das äußere Mein und Dein hier eben | ||||||
| 31 | so wie in vorigen Fällen gänzlich auf der Voraussetzung der Möglichkeit | ||||||
| 32 | eines reinen Vernunftbesitzes ohne Inhabung beruht. | ||||||
| 33 | Zur Kritik der rechtlich=praktischen Vernunft im Begriffe des | ||||||
| 34 | äußeren Mein und Dein wird diese eigentlich durch eine Antinomie | ||||||
| 35 | der Sätze über die Möglichkeit eines solchen Besitzes genöthigt, d. i. | ||||||
| 36 | nur durch eine unvermeidliche Dialektik, in welcher Thesis und Antithesis | ||||||
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