Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 253

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 praktische Realität, d. i. er muß auf Gegenstände der Erfahrung, deren      
  02 Erkenntniß von jenen Bedingungen abhängig ist, anwendbar sein.      
  03 Das Verfahren mit dem Rechtsbegriffe in Ansehung der letzteren, als des      
  04 möglichen äußeren Mein und Dein, ist folgendes: Der Rechtsbegriff, der      
  05 bloß in der Vernunft liegt, kann nicht unmittelbar auf Erfahrungsobjecte      
  06 und auf den Begriff eines empirischen Besitzes, sondern mu      
  07 zunächst auf den reinen Verstandesbegriff eines Besitzes überhaupt angewandt      
  08 werden, so daß statt der Inhabung ( detentio ), als einer empirischen      
  09 Vorstellung des Besitzes, der von allen Raumes= und Zeitbedingungen      
  10 abstrahirende Begriff des Habens, und nur daß der Gegenstand      
  11 als in meiner Gewalt ( in potestate mea positum esse ) sei, gedacht      
  12 werde; da dann der Ausdruck des Äußeren nicht das Dasein in einem      
  13 anderen Orte, als wo ich bin, oder meiner Willensentschließung und      
  14 Annahme als in einer andern Zeit wie der des Angebots, sondern nur      
  15 einen von mir unterschiedenen Gegenstand bedeutet. Nun will die      
  16 praktische Vernunft durch ihr Rechtsgesetz, daß ich das Mein und Dein      
  17 in der Anwendung auf Gegenstände nicht nach sinnlichen Bedingungen,      
  18 sondern abgesehen von denselben, weil es eine Bestimmung der Willkür      
  19 nach Freiheitsgesetzen betrifft, auch den Besitz desselben denke, indem nur      
  20 ein Verstandesbegriff unter Rechtsbegriffe subsumirt werden kann.      
  21 Also werde ich sagen: ich besitze einen Acker, ob er zwar ein ganz anderer      
  22 Platz ist, als worauf ich mich wirklich befinde. Denn die Rede ist hier      
  23 nur von einem intellectuellen Verhältniß zum Gegenstande, so fern ich      
  24 ihn in meiner Gewalt habe (ein von Raumesbestimmungen unabhängiger      
  25 Verstandesbegriff des Besitzes), und er ist mein, weil mein zu desselben      
  26 beliebigem Gebrauch sich bestimmender Wille dem Gesetz der äußeren      
  27 Freiheit nicht widerstreitet. Gerade darin: daß abgesehen vom      
  28 Besitz in der Erscheinung (der Inhabung) dieses Gegenstandes meiner      
  29 Willkür die praktische Vernunft den Besitz nach Verstandesbegriffen, nicht      
  30 nach empirischen, sondern solchen, die a priori die Bedingungen desselben      
  31 enthalten können, gedacht wissen will, liegt der Grund der Gültigkeit eines      
  32 solchen Begriffs vom Besitze ( possessio noumenon ) als einer allgemeingeltenden      
  33 Gesetzgebung; denn eine solche ist in dem Ausdrucke enthalten:      
  34 "Dieser äußere Gegenstand ist mein," weil allen andern dadurch      
  35 eine Verbindlichkeit auferlegt wird, die sie sonst nicht hätten, sich des Gebrauchs      
  36 desselben zu enthalten.      
           
  37 Die Art also, etwas außer mir als das Meine zu haben, ist die bloß      
           
     

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