Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 249 |
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01 | mich zu hindern Läsion (Abbruch an meiner Freiheit, die mit der | ||||||
02 | Freiheit von Jedermann nach einem allgemeinen Gesetze zusammen bestehen | ||||||
03 | kann) sein würde. - Die Sacherklärung dieses Begriffs aber, | ||||||
04 | d. i. die, welche auch zur Deduction desselben (der Erkenntniß der Möglichkeit | ||||||
05 | des Gegenstandes) zureicht, lautet nun so: Das äußere Meine ist | ||||||
06 | dasjenige, in dessen Gebrauch mich zu stören Läsion sein würde, ob ich | ||||||
07 | gleich nicht im Besitz desselben (nicht Inhaber des Gegenstandes) bin. | ||||||
08 | - In irgend einem Besitz des äußeren Gegenstandes muß ich sein, wenn | ||||||
09 | der Gegenstand mein heißen soll; denn sonst würde der, welcher diesen | ||||||
10 | Gegenstand wider meinen Willen afficirte, mich nicht zugleich afficiren, | ||||||
11 | mithin auch nicht lädiren. Also muß zu Folge des § 4 ein intelligibler | ||||||
12 | Besitz ( possessio noumenon ) als möglich vorausgesetzt werden, wenn es | ||||||
13 | ein äußeres Mein oder Dein geben soll; der empirische Besitz (Inhabung) | ||||||
14 | ist alsdann nur Besitz in der Erscheinung ( possessio phaenomenon ), obgleich | ||||||
15 | der Gegenstand, den ich besitze, hier nicht so, wie es in der transscendentalen | ||||||
16 | Analytik geschieht, selbst als Erscheinung, sondern als Sache | ||||||
17 | an sich selbst betrachtet wird; denn dort war es der Vernunft um das theoretische | ||||||
18 | Erkenntniß der Natur der Dinge und, wie weit sie reichen könne, | ||||||
19 | hier aber ist es ihr um praktische Bestimmung der Willkür nach Gesetzen | ||||||
20 | der Freiheit zu thun, der Gegenstand mag nun durch Sinne, oder auch | ||||||
21 | bloß den reinen Verstand erkennbar sein, und das Recht ist ein solcher | ||||||
22 | reiner praktischer Vernunftbegriff der Willkür unter Freiheitsgesetzen. | ||||||
23 | Eben darum sollte man auch billig nicht sagen: ein Recht auf diesen | ||||||
24 | oder jenen Gegenstand, sondern vielmehr ihn bloß rechtlich besitzen; | ||||||
25 | denn das Recht ist schon ein intellectueller Besitz eines Gegenstandes, | ||||||
26 | einen Besitz aber zu besitzen, würde ein Ausdruck ohne Sinn sein. | ||||||
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30 | Die Frage: wie ist ein äußeres Mein und Dein möglich? löst | ||||||
31 | sich nun in diejenige auf: wie ist ein bloß rechtlicher (intelligibler) | ||||||
32 | Besitz möglich? und diese wiederum in die dritte: wie ist ein synthetischer | ||||||
33 | Rechtssatz a priori möglich? | ||||||
34 | Alle Rechtssätze sind Sätze a priori, denn sie sind Vernunftgesetze | ||||||
35 | ( dictamina rationis ). Der Rechtssatz a priori in Ansehung des empirischen | ||||||
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