Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 230 |
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01 | verborgen, wenn er nicht eine Zeit lang jene empirischen Principien verläßt, | ||||||
02 | die Quellen jener Urtheile in der bloßen Vernunft sucht (wiewohl | ||||||
03 | ihm dazu jene Gesetze vortrefflich zum Leitfaden dienen können), um zu | ||||||
04 | einer möglichen positiven Gesetzgebung die Grundlage zu errichten. Eine | ||||||
05 | bloß empirische Rechtslehre ist (wie der hölzerne Kopf in Phädrus' Fabel) | ||||||
06 | ein Kopf, der schön sein mag, nur Schade! daß er kein Gehirn hat. | ||||||
07 | Der Begriff des Rechts, sofern er sich auf eine ihm correspondirende | ||||||
08 | Verbindlichkeit bezieht, (d. i. der moralische Begriff desselben) betrifft | ||||||
09 | erstlich nur das äußere und zwar praktische Verhältnis einer Person | ||||||
10 | gegen eine andere, sofern ihre Handlungen als Facta aufeinander (unmittelbar | ||||||
11 | oder mittelbar) Einfluß haben können. Aber zweitens bedeutet | ||||||
12 | er nicht das Verhältniß der Willkür auf den Wunsch (folglich auch | ||||||
13 | auf das bloße Bedürfniß) des Anderen, wie etwa in den Handlungen der | ||||||
14 | Wohlthätigkeit oder Hartherzigkeit, sondern lediglich auf die Willkür | ||||||
15 | des Anderen. Drittens, in diesem wechselseitigen Verhältniß der Willkür | ||||||
16 | kommt auch gar nicht die Materie der Willkür, d. i. der Zweck, den ein | ||||||
17 | jeder mit dem Object, was er will, zur Absicht hat, in Betrachtung, z. B. | ||||||
18 | es wird nicht gefragt, ob jemand bei der Waare, die er zu seinem eigenen | ||||||
19 | Handel von mir kauft, auch seinen Vortheil finden möge, oder nicht, sondern | ||||||
20 | nur nach der Form im Verhältniß der beiderseitigen Willkür, sofern | ||||||
21 | sie bloß als frei betrachtet wird, und ob durch die Handlung eines von | ||||||
22 | beiden sich mit der Freiheit des andern nach einem allgemeinen Gesetze | ||||||
23 | zusammen vereinigen lasse. | ||||||
24 | Das Recht ist also der Inbegriff der Bedingungen, unter denen die | ||||||
25 | Willkür des einen mit der Willkür des andern nach einem allgemeinen | ||||||
26 | Gesetze der Freiheit zusammen vereinigt werden kann. | ||||||
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29 | "Eine jede Handlung ist Recht, die oder nach deren Maxime die | ||||||
30 | Freiheit der Willkür eines jeden mit jedermanns Freiheit nach einem allgemeinen | ||||||
31 | Gesetze zusammen bestehen kann." | ||||||
32 | Wenn also meine Handlung, oder überhaupt mein Zustand mit der | ||||||
33 | Freiheit von jedermann nach einem allgemeinen Gesetze zusammen bestehen | ||||||
34 | kann, so thut der mir Unrecht, der mich daran hindert; denn dieses Hinderni | ||||||
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