Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 231 |
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01 | (dieser Widerstand) kann mit der Freiheit nach allgemeinen Gesetzen | ||||||
02 | nicht bestehen. | ||||||
03 | Es folgt hieraus auch: daß nicht verlangt werden kann, daß dieses | ||||||
04 | Princip aller Maximen selbst wiederum meine Maxime sei, d. i. daß ich | ||||||
05 | es mir zur Maxime meiner Handlung mache; denn ein jeder kann frei | ||||||
06 | sein, obgleich seine Freiheit mir gänzlich indifferent wäre, oder ich im | ||||||
07 | Herzen derselben gerne Abbruch thun möchte, wenn ich nur durch meine | ||||||
08 | äußere Handlung ihr nicht Eintrag thue. Das Rechthandeln mir zur | ||||||
09 | Maxime zu machen, ist eine Forderung, die die Ethik an mich thut. | ||||||
10 | Also ist das allgemeine Rechtsgesetz: handle äußerlich so, daß der | ||||||
11 | freie Gebrauch deiner Willkür mit der Freiheit von jedermann nach einem | ||||||
12 | allgemeinen Gesetze zusammen bestehen könne, zwar ein Gesetz, welches | ||||||
13 | mir eine Verbindlichkeit auferlegt, aber ganz und gar nicht erwartet, noch | ||||||
14 | weniger fordert, daß ich ganz um dieser Verbindlichkeit willen meine Freiheit | ||||||
15 | auf jene Bedingungen selbst einschränken solle, sondern die Vernunft | ||||||
16 | sagt nur, daß sie in ihrer Idee darauf eingeschränkt sei und von | ||||||
17 | andern auch thätlich eingeschränkt werden dürfe; und dieses sagt sie als | ||||||
18 | ein Postulat, welches gar keines Beweises weiter fähig ist. - Wenn die | ||||||
19 | Absicht nicht ist Tugend zu lehren, sondern nur, was recht sei, vorzutragen, | ||||||
20 | so darf und soll man selbst nicht jenes Rechtsgesetz als Triebfeder | ||||||
21 | der Handlung vorstellig machen. | ||||||
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24 | Der Widerstand, der dem Hindernisse einer Wirkung entgegengesetzt | ||||||
25 | wird, ist eine Beförderung dieser Wirkung und stimmt mit ihr zusammen. | ||||||
26 | Nun ist alles, was unrecht ist, ein Hinderniß der Freiheit nach allgemeinen | ||||||
27 | Gesetzen: der Zwang aber ist ein Hinderniß oder Widerstand, der der | ||||||
28 | Freiheit geschieht. Folglich: wenn ein gewisser Gebrauch der Freiheit | ||||||
29 | selbst ein Hinderniß der Freiheit nach allgemeinen Gesetzen (d. i. unrecht) | ||||||
30 | ist, so ist der Zwang, der diesem entgegengesetzt wird, als Verhinderung | ||||||
31 | eines Hindernisses der Freiheit mit der Freiheit nach allgemeinen | ||||||
32 | Gesetzen zusammen stimmend, d. i. recht: mithin ist mit dem Rechte zugleich | ||||||
33 | eine Befugniß, den, der ihm Abbruch thut, zu zwingen, nach dem | ||||||
34 | Satze des Widerspruchs verknüpft. | ||||||
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