Kant: AA VI, Die Religion innerhalb der ... , Seite 199 |
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01 | Kirche nicht Förmlichkeiten enthalte, die auf Idololatrie führen und so | ||||||
02 | das Gewissen belästigen können, z. B. gewisse Anbetungen Gottes in der | ||||||
03 | Persönlichkeit seiner unendlichen Güte unter dem Namen eines Menschen, | ||||||
04 | da die sinnliche Darstellung desselben dem Vernunftverbote: "Du sollst | ||||||
05 | dir kein Bildniß machen", u. s. w. zuwider ist. Aber es an sich als | ||||||
06 | Gnadenmittel brauchen zu wollen, gleich als ob dadurch Gott unmittelbar | ||||||
07 | gedient, und mit der Celebrirung dieser Feierlichkeit (einer bloßen | ||||||
08 | sinnlichen Vorstellung der Allgemeinheit der Religion) Gott besondere | ||||||
09 | Gnaden verbunden habe, ist ein Wahn, der zwar mit der Denkungsart | ||||||
10 | eines guten Bürgers in einem politischen gemeinen Wesen und der | ||||||
11 | äußern Anständigkeit gar wohl zusammen stimmt, zur Qualität desselben | ||||||
12 | aber, als Bürger im Reiche Gottes, nicht allein nichts beiträgt, sondern | ||||||
13 | diese vielmehr verfälscht und den schlechten moralischen Gehalt seiner | ||||||
14 | Gesinnung den Augen anderer und selbst seinen eigenen durch einen betrüglichen | ||||||
15 | Anstrich zu verdecken dient. | ||||||
16 | 3. Die einmal geschehende feierliche Einweihung zur Kirchengemeinschaft, | ||||||
17 | d. i. die erste Aufnahme zum Gliede einer Kirche (in der | ||||||
18 | christlichen durch die Taufe), ist eine vielbedeutende Feierlichkeit, die entweder | ||||||
19 | dem Einzuweihenden, wenn er seinen Glauben selbst zu bekennen | ||||||
20 | im Stande ist, oder den Zeugen, die seine Erziehung in demselben zu besorgen | ||||||
21 | sich anheischig machen, große Verbindlichkeit auferlegt und auf | ||||||
22 | etwas Heiliges (die Bildung eines Menschen zum Bürger in einem göttlichen | ||||||
23 | Staate) abzweckt, an sich selbst aber keine Heilige oder Heiligkeit | ||||||
24 | und Empfänglichkeit für die göttliche Gnade in diesem Subject wirkende | ||||||
25 | Handlung anderer, mithin kein Gnadenmittel; in so übergroßem Ansehen | ||||||
26 | es auch in der ersten griechischen Kirche war, alle Sünden auf einmal | ||||||
27 | abwaschen zu können, wodurch dieser Wahn auch seine Verwandtschaft | ||||||
28 | mit einem fast mehr als heidnischen Aberglauben öffentlich an den Tag | ||||||
29 | legte. | ||||||
30 | 4. Die mehrmals wiederholte Feierlichkeit einer Erneuerung, | ||||||
31 | Fortdauer und Fortpflanzung dieser Kirchengemeinschaft nach | ||||||
32 | Gesetzen der Gleichheit (die Communion), welche allenfalls auch nach | ||||||
33 | dem Beispiele des Stifters einer solchen Kirche (zugleich auch zu seinem | ||||||
34 | Gedächtnisse) durch die Förmlichkeit eines gemeinschaftlichen Genusses an | ||||||
35 | derselben Tafel geschehen kann, enthält etwas großes, die Enge, eigenliebige | ||||||
36 | und unvertragsame Denkungsart der Menschen, vornehmlich in Religionssachen, | ||||||
37 | zur Idee einer weltbürgerlichen moralischen Gemeinschaft | ||||||
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