Kant: AA VI, Die Religion innerhalb der ... , Seite 180

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 so mannigfaltig und so mechanisch ist, daß es beinahe alle Moralität, mithin      
  02 auch Religion zu verdrängen und ihre Stelle vertreten zu sollen scheint      
  03 und so ans Heidenthum sehr nahe angränzt; allein auf das mehr oder      
  04 weniger kommt es hier nicht eben an, wo der Werth oder Unwerth auf      
  05 der Beschaffenheit des zu oberst verbindenden Princips beruht. Wenn      
  06 dieses die gehorsame Unterwerfung unter eine Satzung als Frohndienst,      
  07 nicht aber die freie Huldigung auferlegt, die dem moralischen Gesetze zu      
  08 oberst geleistet werden soll: so mögen der auferlegten Observanzen noch      
  09 so wenig sein; genug, wenn sie für unbedingt nothwendig erklärt werden,      
  10 so ist das immer ein Fetischglauben, durch den die Menge regiert und      
  11 durch den Gehorsam unter eine Kirche (nicht der Religion) ihrer moralischen      
  12 Freiheit beraubt wird. Die Verfassung derselben (Hierarchie) mag      
  13 monarchisch oder aristokratisch oder demokratisch sein: das betrifft nur die      
  14 Organisation; die Constitution derselben ist und bleibt doch unter allen      
  15 diesen Formen immer despotisch. Wo Statute des Glaubens zum Constitutionalgesetz      
  16 gezählt werden, da herrscht ein Klerus, der der Vernunft      
  17 und selbst zuletzt der Schriftgelehrsamkeit gar wohl entbehren zu können      
  18 glaubt, weil er als einzig autorisirter Bewahrer und Ausleger des Willens      
  19 des unsichtbaren Gesetzgebers die Glaubensvorschrift ausschließlich      
  20 zu verwalten die Autorität hat und also, mit dieser Gewalt versehen, nicht      
  21 überzeugen, sondern nur befehlen darf. - Weil nun außer diesem Klerus      
  22 alles übrige Laie ist (das Oberhaupt des politischen gemeinen Wesens      
  23 nicht ausgenommen): so beherrscht die Kirche zuletzt den Staat, nicht      
  24 eben durch Gewalt, sondern durch Einfluß auf die Gemüther, überdem      
  25 auch durch Vorspiegelung des Nutzens, den dieser vorgeblich aus einem      
  26 unbedingten Gehorsam soll ziehen können, zu dem eine geistige Disciplin      
  27 selbst das Denken des Volks gewöhnt hat; wobei aber unvermerkt die      
  28 Gewöhnung an Heuchelei die Redlichkeit und Treue der Unterthanen untergräbt,      
  29 sie zum Scheindienst auch in bürgerlichen Pflichten abwitzigt      
  30 und wie alle fehlerhaft genommene Principien gerade das Gegentheil von      
  31 dem hervorbringt, was beabsichtigt war.      
           
  32 Das alles ist aber die unvermeidliche Folge von der beim ersten Anblick      
  33 unbedenklich scheinenden Versetzung der Principien des allein seligmachenden      
  34 Religionsglaubens, indem es darauf ankam, welchem von      
           
     

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