Kant: AA VI, Die Religion innerhalb der ... , Seite 043 |
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01 | noch nicht entwickelt war, mithin bis zu einem Hange (als | ||||||
02 | natürliche Grundlage) zum Bösen, welcher darum angeboren heißt, die | ||||||
03 | Quelle des Bösen verfolgen müßten: welches bei dem ersten Menschen, der | ||||||
04 | schon mit völligem Vermögen seines Vernunftgebrauchs vorgestellt wird, | ||||||
05 | nicht nöthig, auch nicht thunlich ist, weil sonst jene Grundlage (der böse | ||||||
06 | Hang) gar anerschaffen gewesen sein müßte, daher seine Sünde unmittelbar | ||||||
07 | als aus der Unschuld erzeugt aufgeführt wird. - Wir müssen aber | ||||||
08 | von einer moralischen Beschaffenheit, die uns soll zugerechnet werden, keinen | ||||||
09 | Zeitursprung suchen; so unvermeidlich dieses auch ist, wenn wir ihr | ||||||
10 | zufälliges Dasein erklären wollen (daher ihn auch die Schrift dieser unserer | ||||||
11 | Schwäche gemäß so vorstellig gemacht haben mag). | ||||||
12 | Der Vernunftursprung aber dieser Verstimmung unserer Willkür in | ||||||
13 | Ansehung der Art, subordinirte Triebfedern zu oberst in ihre Maximen | ||||||
14 | aufzunehmen, d. i. dieses Hanges zum Bösen, bleibt uns unerforschlich, | ||||||
15 | weil er selbst uns zugerechnet werden muß, folglich jener oberste Grund | ||||||
16 | aller Maximen wiederum die Annehmung einer bösen Maxime erfordern | ||||||
17 | würde. Das Böse hat nur aus dem Moralisch=Bösen (nicht den bloßen | ||||||
18 | Schranken unserer Natur) entspringen können; und doch ist die ursprüngliche | ||||||
19 | Anlage (die auch kein anderer als der Mensch selbst Verderben konnte, | ||||||
20 | wenn diese Corruption ihm soll zugerechnet werden) eine Anlage zum Guten; | ||||||
21 | für uns ist also kein begreiflicher Grund da, woher das moralische | ||||||
22 | Böse in uns zuerst gekommen sein könne. - Diese Unbegreiflichkeit zusammt | ||||||
23 | der näheren Bestimmung der Bösartigkeit unserer Gattung drückt | ||||||
24 | die Schrift in der Geschichtserzählung*) dadurch aus, daß sie das Böse | ||||||
25 | zwar im Weltanfange, doch noch nicht im Menschen, sondern in einem | ||||||
*) Das hier Gesagte muß nicht dafür angesehen werden, als ob es Schriftauslegung sein solle, welche außerhalb den Gränzen der Befugniß der bloßen Vernunft liegt. Man kann sich über die Art erklären, wie man sich einen historischen Vortrag moralisch zu Nutze macht, ohne darüber zu entscheiden, ob das auch der Sinn des Schriftstellers sei, oder wir ihn nur hineinlegen: wenn er nur für sich und ohne allen historischen Beweis wahr, dabei aber zugleich der einzige ist, nach welchem wir aus einer Schriftstelle für uns etwas zur Besserung ziehen können, die sonst nur eine unfruchtbare Vermehrung unserer historischen Erkenntniß sein würde. Man muß nicht ohne Noth über etwas und das historische Ansehen desselben streiten, was, ob es so oder anders verstanden werde, nichts dazu beiträgt, ein besserer Mensch zu werden, wenn, was dazu beitragen kann, auch ohne historischen Beweis erkannt wird und gar ohne ihn erkannt werden muß. Das historische Erkenntniß, welches keine innere, für jedermann gültige Beziehung hierauf hat, [Seitenumbruch] gehört unter die Adiaphora , mit denen es jeder halten mag, wie er es für sich erbaulich findet. | |||||||
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