Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 460 |
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01 | Anmaßungen der Vernunft begränzen wolle; denn wo jene Einsichten hergenommen | ||||||
02 | sind, eben daher können ja noch mehrere (wenn man nur, wie | ||||||
03 | man meint, sein Nachdenken anstrengte) erwartet werden. Die Begränzung | ||||||
04 | solcher Ansprüche müßte doch nach einem gewissen Princip geschehen, | ||||||
05 | nicht etwa bloß aus dem Grunde, weil wir finden, daß alle Versuche mit | ||||||
06 | denselben bisher fehlgeschlagen sind; denn das beweiset nichts wider die | ||||||
07 | Möglichkeit eines besseren Ausschlags. Hier aber ist kein Princip möglich, | ||||||
08 | als entweder anzunehmen: daß in Ansehung des Übersinnlichen | ||||||
09 | schlechterdings gar nichts theoretisch (als lediglich nur negativ) bestimmt | ||||||
10 | werden könne, oder daß unsere Vernunft eine noch unbenutzte Fundgrube | ||||||
11 | zu wer weiß wie großen, für uns und unsere Nachkommen aufbewahrten | ||||||
12 | erweiternden Kenntnissen in sich enthalte. - Was aber Religion betrifft, | ||||||
13 | d. i. die Moral in Beziehung auf Gott als Gesetzgeber: so muß, wenn die | ||||||
14 | theoretische Erkenntniß desselben vorhergehen müßte, die Moral sich nach | ||||||
15 | der Theologie richten und nicht allein statt einer inneren nothwendigen | ||||||
16 | Gesetzgebung der Vernunft eine äußere willkürliche eines obersten Wesens | ||||||
17 | eingeführt werden, sondern auch in dieser alles, was unsere Einsicht in | ||||||
18 | die Natur desselben Mangelhaftes hat, sich auf die sittliche Vorschrift erstrecken | ||||||
19 | und so die Religion unmoralisch machen und verkehren. | ||||||
20 | In Ansehung der Hoffnung eines künftigen Lebens, wenn wir statt | ||||||
21 | des Endzwecks, den wir der Vorschrift des moralischen Gesetzes gemäß | ||||||
22 | selbst zu vollführen haben, zum Leitfaden des Vernunfturtheils über unsere | ||||||
23 | Bestimmung (welches also nur in praktischer Beziehung als nothwendig, | ||||||
24 | oder annehmungswürdig betrachtet wird) unser theoretisches Erkenntnißvermögen | ||||||
25 | befragen, giebt die Seelenlehre in dieser Absicht, so wie oben | ||||||
26 | die Theologie nichts mehr als einen negativen Begriff von unserm denkenden | ||||||
27 | Wesen: daß nämlich keine seiner Handlungen und Erscheinungen | ||||||
28 | des innern Sinnes materialistisch erklärt werden könne; daß also von ihrer | ||||||
29 | abgesonderten Natur und der Dauer oder Nichtdauer ihrer Persönlichkeit | ||||||
30 | nach dem Tode uns schlechterdings kein erweiterndes, bestimmendes Urtheil | ||||||
31 | aus speculativen Gründen durch unser gesammtes theoretisches Erkenntnißvermögen | ||||||
32 | möglich sei. Da also alles hier der teleologischen Beurtheilung | ||||||
33 | unseres Daseins in praktischer nothwendiger Rücksicht und der Annehmung | ||||||
34 | unserer Fortdauer, als der zu dem uns von der Vernunft schlechterdings | ||||||
35 | aufgegebenen Endzweck erforderlichen Bedingung, überlassen bleibt, | ||||||
36 | so zeigt sich hier zugleich der Nutzen (der zwar beim ersten Anblick Verlust | ||||||
37 | zu sein scheint): daß, so wie die Theologie für uns nie Theosophie werden | ||||||
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