Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 438 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
01 | kein anderes Princip der Möglichkeit des Objects ihrer unvermeidlichen | ||||||
02 | teleologischen Beurtheilung in ihrem Vermögen hat, als das, den | ||||||
03 | Mechanism der Natur der Architektonik eines verständigen Welturhebers | ||||||
04 | unterzuordnen: das alles leistet die teleologische Weltbetrachtung sehr | ||||||
05 | herrlich und zur äußersten Bewunderung. Weil aber die Data, mithin | ||||||
06 | die Principien, jenen Begriff einer intelligenten Weltursache (als höchsten | ||||||
07 | Künstlers) zu bestimmen, bloß empirisch sind: so lassen sie auf keine | ||||||
08 | Eigenschaften weiter schließen, als uns die Erfahrung an den Wirkungen | ||||||
09 | derselben offenbart, welche, da sie nie die gesammte Natur als System befassen | ||||||
10 | kann, oft auf (dem Anscheine nach) jenem Begriffe und unter einander | ||||||
11 | widerstreitende Beweisgründe stoßen muß, niemals aber, wenn wir | ||||||
12 | gleich vermögend wären auch das ganze System, sofern es bloße Natur | ||||||
13 | betrifft, empirisch zu überschauen, uns über die Natur zu dem Zwecke ihrer | ||||||
14 | Existenz selber und dadurch zum bestimmten Begriffe jener obern Intelligenz | ||||||
15 | erheben kann. | ||||||
16 | Wenn man sich die Aufgabe, um deren Auflösung es einer Physikotheologie | ||||||
17 | zu thun ist, klein macht, so scheint ihre Auflösung leicht. Verschwendet | ||||||
18 | man nämlich den Begriff von einer Gottheit an jedes von uns | ||||||
19 | gedachte verständige Wesen, deren es eines oder mehrere geben mag, welches | ||||||
20 | viel und sehr große, aber eben nicht alle Eigenschaften habe, die zu | ||||||
21 | Gründung einer mit dem größtmöglichen Zwecke übereinstimmenden Natur | ||||||
22 | überhaupt erforderlich sind; oder hält man es für nichts, in einer | ||||||
23 | Theorie den Mangel dessen, was die Beweisgründe leisten, durch willkürliche | ||||||
24 | Zusätze zu ergänzen, und, wo man nur Grund hat viel Vollkommenheit | ||||||
25 | anzunehmen (und was ist viel für uns?), sich da befugt hält alle | ||||||
26 | mögliche vorauszusetzen: so macht die physische Teleologie wichtige Ansprüche | ||||||
27 | auf den Ruhm, eine Theologie zu begründen. Wenn aber verlangt | ||||||
28 | wird anzuzeigen, was uns denn antreibe und überdem berechtige, jene Ergänzungen | ||||||
29 | zu machen: so werden wir in den Principien des theoretischen | ||||||
30 | Gebrauchs der Vernunft, welcher durchaus verlangt, zu Erklärung eines | ||||||
31 | Objects der Erfahrung diesem nicht mehr Eigenschaften beizulegen, als | ||||||
32 | empirische Data zu ihrer Möglichkeit anzutreffen sind, vergeblich Grund | ||||||
33 | zu unserer Rechtfertigung suchen. Bei näherer Prüfung würden wir sehen, | ||||||
34 | daß eigentlich eine Idee von einem höchsten Wesen, die auf ganz verschiedenem | ||||||
35 | Vernunftgebrauch (dem Praktischen) beruht, in uns a priori zum | ||||||
36 | Grunde liege, welche uns antreibt, die mangelhafte Vorstellung einer | ||||||
37 | physischen Teleologie von dem Urgrunde der Zwecke in der Natur bis zum | ||||||
[ Seite 437 ] [ Seite 439 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |